Hämotherapie-Richtlinie erlaubt Blutspenden homosexueller Männer

Berlin – Die Bundesärztekammer (BÄK) hat die Hämotherapie-Richtlinie überarbeitet. Sie kommt damit ihrer im Transfusionsgesetz (TFG) übertragenen Aufgabe nach, den allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik für die Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und die Anwendung von Blutprodukten in Richtlinien festzustellen. „Mit der Richtlinie sichern wir die hochwertige Versorgung der Spender und der auf Blutprodukte angewiesenen Patienten“, sagte BÄK-Präsident Frank Ulrich Montgomery. Gleichzeitig werde Handlungssicherheit für die behandelnden Ärzte geschaffen.
Die Richtlinie enthält detailliert untergliederte Kapitel zur Gewinnung, Herstellung und Anwendung von Blut und Blutprodukten. Neue Erkenntnisse zu Blutgruppenbestimmungen und gesetzliche Regelungen zur Aufklärung und Einwilligung der Empfänger von Blutprodukten sind in die Richtlinie eingearbeitet. Inhaltliche Änderungen betreffen außerdem Rahmenbedingungen für die maschinelle Autotransfusion.
Die Richtlinie enthält Kriterien dazu, wer Blut und Blutprodukte spenden darf. Danach sind künftig auch homosexuelle Männer unter bestimmten Bedingungen zugelassen. Zwölf Monate nach Beendigung „sexuellen Risikoverhaltens“ dürfen sie demnach künftig Blut spenden. Auf diese Lockerung haben sich Vertreter des Bundesgesundheitsministeriums (BMG), der zuständigen Bundesoberbehörden wie des Paul-Ehrlich-Instituts sowie des „Arbeitskreises Blut“ und des ständigen Arbeitskreises „Richtlinien Hämotherapie“ des wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer verständigt.
Bislang waren Menschen mit bestimmten chronischen Erkrankungen sowie Homosexuelle, Drogenkonsumenten, Prostituierte und Menschen mit häufig wechselnden Partnern von Blutspenden ausgeschlossen. Grund dafür ist die erhöhte Ansteckungsgefahr unter anderem mit HIV oder Hepatitis. Kritisch seien in diesem Zusammenhang insbesondere unbekannte Erreger sowie die Fensterphase von Testverfahren, also die Phase, in der eine Person bereits infiziert sei, diese Infektion aber noch nicht sicher nachgewiesen werden könne.
„Deshalb ist es auch angesichts sensitiver und spezifischer neuer Testverfahren weiterhin notwendig, Personen mit sexuellem Risikoverhalten nicht zur Blutspende zuzulassen, um die Sicherheit der Empfänger in Deutschland zu gewährleisten“, sagte Peter Scriba, Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats der BÄK, dem Deutschen Ärzteblatt. Nach Beendigung des Risikoverhaltens sei aber eine Zulassung zur Blutspende mit einer entsprechenden Latenz möglich, so Scriba.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte 2015 Regelungen zum Blutspendeverbot für Homosexuelle präzisiert. Wenn der Gesundheitsschutz von Blutspendenempfängern durch neue Nachweistechniken zu HIV oder Befragungen der Spender gesichert werden könne, seien generelle Verbote unzulässig, urteilte der EuGH und verwies auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Verbot der Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung. Diesen Gesundheitsschutz sehen die BÄK und ihre Partner nun bei Einhaltung der Zwölf-Monats-Frist als gesichert an. Die Angaben zum Lebensstil werden wie bisher per Fragebogen erhoben.
Der Deutschen Aidshilfe geht die neue Richtlinie nicht weit genug. „Eine HIV-Infektion kann man heute sechs Wochen nach dem letzten Risiko sicher ausschließen“, erklärte Vorstandsmitglied Björn Beck. Eine Frist von einem Jahr schließe hingegen die meisten schwulen und bisexuellen Männer weiterhin unnötig von der Blutspende aus.
Die Grünen-Sprecherin für Prävention und Gesundheitswirtschaft, Kordula Schulz-Asche, betonte, die Novellierung führe die Diskriminierung von schwulen und bisexuellen Männern weiter fort. Sie nannte eine Frist von zwölf Monaten ohne Sex für eine Blutspende „sachlich unbegründet“. Maßstab sollte die Nachweisbarkeit einer HIV-Neuinfektion sein, die sechs Wochen betrage.
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