Ärger um Ruf nach Kontrolle von Sprechstundenzeiten

Dortmund – Patientenschützer drängen bei der vom Gesetzgeber geplanten Ausweitung der Sprechstunden von Vertragsärzten auf eine Kontrolle der Mediziner. Die Vertragsärzte sind darüber wenig begeistert.
„Für viele Mediziner wird sich dadurch nichts ändern, sie bieten ohnehin mehr Stunden an. Alle anderen sind jetzt in der Pflicht“, sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, gestern. Entscheidend sei jedoch, dass die Sprechzeiten in der Praxis engmaschig kontrolliert würden.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) müsse jetzt durchgreifen und im neuen Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) eine Überprüfung festlegen. Zu dem Entwurf, in dem die Mindestsprechstunden bei Kassenärzten von 20 auf 25 Stunden erhöht werden sollen, ist übermorgen im Bundestag eine Anhörung angesetzt.
Brysch fügte an, die Kassenärztlichen Vereinigungen seien ihrer gesetzlichen Kontrollpflicht bisher nicht nachgekommen. „Es reicht nicht aus, die Zeiten nur anhand von Abrechnungsziffern nachzuhalten. Zudem braucht es ein transparentes und für jedermann abrufbares Berichtswesen auf Bundesebene“, sagte der Patientenschützer.
Zudem sei zu hoffen, dass die Ärzte die geplante Anrechnung der Hausbesuche auf die Sprechstundenzeiten und als Praxisbesonderheit im Sinne der alten, pflegebedürftigen und schwerstkranken Menschen nutzen werden, sagte Brysch. Es gelte, diese Patienten wieder vermehrt in ihrem Umfeld aufzusuchen.
Kritik kam von den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) Hessen und Niedersachsen. „Leider nimmt der Wahnsinn kein Ende und macht auch vor Patientenvertretern nicht mehr halt. Denn mit solchen Forderungen senden wir fatale Signale an die jungen Kolleginnen und Kollegen, die mit dem Gedanken an eine Niederlassung spielen“, sagten die Vorständer der KV Hessen, Frank Dastych und Eckhard Starke.
Niemand, der noch einigermaßen bei Trost sei, werde sich freiwillig in ein System begeben, das neben nicht immer angemessener Vergütung, Bürokratiewahnsinn und Fließbandmedizin bald noch mit Kontrollen „locke“, die jedem Überwachungsstaat alle Ehre machen würden.
Sie bemängeln, Politik und Gesellschaft hätten einen Weg eingeschlagen, an dessen Ende eine gefährliche Mixtur aus Staatsmedizin und ausschließlicher Patientenorientierung stehen könnte. „Wo ist in einem solchen Konstrukt noch Platz für niedergelassene Ärzte und Psychotherapeuten und wer soll in einem solchen System freiwillig arbeiten wollen?“, so Dastych und Starke.
„Man kann sich nur noch darüber wundern, welche Sympathien Patientenvertreter inzwischen für staatliche Eingriffe, Vorgaben und Kontrollen entwickeln“, sagten Frank Bergmann, Vorstandsvorsitzender der KV Nordrhein, und Carsten König, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KV Nordrhein.
Angesichts der Tatsache, dass Vertragsärzte im Durchschnitt weit über 50 Wochenstunden arbeiteten, sei schon die Forderung nach einer Ausweitung der Sprechstundenzeiten purer Populismus. Darüber hinaus noch für eine „engmaschige Kontrolle“ ärztlicher Arbeitszeit zu plädieren, sei „nicht nur dreist, sondern auch ahnungslos“.
Die KV Nordrhein wies darauf hin, dass sie Ende 2017 geprüft habe, ob die Vertragsärzte ihren Versorgungsauftrag erfüllten. Von den 16.520 geprüften Vertragsärzten und Vertragspsychotherapeuten in Nordrhein hätten 15.609 ihren Versorgungsauftrag im Berichtszeitraum (2. Quartal 2016 bis 1. Quartal 2017) eingehalten.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: