Ärzte kritisieren Sparforderungen der AOK

Berlin – Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der Hartmannbund (HB) haben Forderungen des AOK-Bundesverbandes für die neue Legislaturperiode mit Befremden aufgenommen. Im Zentrum der Kritik steht die Forderung des Kassenverbandes, die ambulanten Leistungen wieder vollständig zu budgetieren.
„Es geht um Leistungskürzungen. Und es geht auch um neue innovative Leistungen, von denen gesetzlich Krankenversicherte nicht mehr profitieren können, weil sie dann schlichtweg nicht finanziert werden“, sagte der Vorstandsvorsitzende der KBV, Andreas Gassen, heute.
Scharfe Kritik übte auch der Hartmannbund. „Angesichts der enormen Herausforderungen eines modernen, zukunftsorientierten Gesundheitssystems wirkt das Papier in seinem Kern wie ein Sammelsurium archaischer Reflexe“, sagte dessen Vorsitzender Klaus Reinhardt, der auch Präsident der Bundesärtztekammer (BÄK) ist.
Laut dem Kassenverband wird die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) im kommenden Jahr ein Defizit von rund 17 Milliarden Euro hinnehmen müssen. „Es gibt historischen Handlungsbedarf, die Politik hat die Gesundheitspolitik im Blindflug vor die Wand gefahren und das Geld der Beitragszahler mit vollen Händen ausgegeben“, sagte Volker Hansen, Aufsichtsratsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes.
Deswegen sei es nötig, Reformen aus der Vergangenheit zurückzunehmen, zum Beispiel bei der vertragsärztlichen Vergütung. So sollten Leistungen nicht mehr außerhalb des Budgets gefördert werden. Außerdem sollte die Abrechnungs- und Wirtschaftlichkeitsprüfung bei niedergelassenen Ärzten wieder verstärkt eingeführt werden, so die AOK-Forderung.
Gassen betonte, noch immer erhielten die Vertragsärzte und -psychotherapeuten nicht alle Leistungen in voller Höhe bezahlt. „Sie werden garantiert nicht noch mehr unbezahlt arbeiten“, sagte er auch mit Blick auf die extrem hohe Belastung der Praxen infolge der Pandemie.
Der AOK-Ruf nach kompletter Budgetierung sei zudem ein fatales Signal an den Nachwuchs, warnte der KBV-Vizechef Stephan Hofmeister und sagte: „Welche junge Ärztin oder welcher junge Arzt will dann noch ambulant tätig sein?“
Das gelte ebenso für Abrechnungs- und Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die die AOK wieder verschärfen will. „Jedes Stückchen Fortschritt, was die Ärztinnen und Ärzte in den letzten Jahren mühsam erkämpft haben, würde mit solchen rückwärtsgewandten Maßnahmen zunichtegemacht“, warnte er.
Gassen und Hofmeister kritisierten außerdem den AOK-Vorschlag, ein neues Gremium auf Landesebene einzuführen, dass den Sicherstellungsauftrag für die ärztliche Versorgung übernehmen solle.
„Alle Beteiligten sollten sich darüber im Klaren sein, was es für die Patientinnen und Patienten bedeutet, wenn der Sicherstellungsauftrag für die ambulante Versorgung nicht mehr bei den Kassenärztlichen Vereinigungen liegt. Im Übrigen stellen nicht Gremien, sondern die ärztlichen und psychotherapeutischen Kolleginnen und Kollegen mit ihren Praxisteams die Versorgung täglich sicher“, sagte Hofmeister.
Ein vernichtendes Urteil fällte auch der HB. Das AOK-Positionspapier sei ein „Dokument des fatalen Verharrens in den alten Denkmustern“, so Reinhardt.
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