Ärztekammern empfehlen Aufweichung der Impfpriorisierung

Münster/Jena – Die Landesärztekammern in Thüringen und Westfalen-Lippe (ÄKWL) empfehlen der Politik, den impfenden Ärzten mehr Freiräume einzuräumen, wen sie in welcher Reihenfolge gegen SARS-CoV-2 impfen.
„Solange der Impfstoff extrem knapp war, war die Priorisierung beim Impfen und deren strikte Einhaltung absolut richtig und notwendig“, sagte die Präsidentin der Thüringer Ärztekammer, Ellen Lundershausen. Da die besonders schützenswerten Gruppen aber nun weitgehend geimpft worden seien, werde nun das Tempo immer wichtiger.
„Wir brauchen mehr Vertrauen in die Ärzte vor Ort, die aufgrund ihrer fachlichen Expertise genau wissen, wer als nächstes und womit nach entsprechender Aufklärung geimpft werden sollte! Und wir brauchen damit verbunden mehr Flexibilität, damit am Ende nicht noch Impfstoffe verfallen, weil gerade niemand von der vorgeschriebenen Gruppe verfügbar war“, sagte sie.
Auch in der Landespolitik wird die vollständige Aufhebung der Impfreihenfolge diskutiert. Die Forderung danach kam von der Landtagsfraktion der Grünen. Die CDU-Fraktion hält die Debatte zwar für „richtig und sinnvoll“, verwies aber darauf, dass noch nicht alle über 70-Jährige und Menschen aus Risikogruppen geimpft seien. Gesundheitsministerin Heike Werner (Linke) hatte allerdings darauf verwiesen, dass die verfügbaren Impfstoffvorräte für eine Aufhebung der Priorisierung bislang nicht ausreichten.
Auch die Ärztekammer Westfalen-Lippe möchte weg von der Impfpriorisierung. Deren Vorstand fordert außerdem weniger Impfbürokratismus und die Einbeziehung aller Ärzte sowie der Krankenhäuser in die Impfkampagne.
„Bis Ende Juni kommt deutlich mehr Impfstoff. Dann könnte ein Großteil der Bürger die erste Impfdosis erhalten. Doch damit die für das laufende Quartal angekündigten 70 Millionen Impfdosen auch wirklich rasch in die Arme der Menschen kommen, brauchen wir eine gute Planung und bessere Voraussetzungen als bisher“, sagte Johannes Albert Gehle, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe.
Dazu sollte das Bundesgesundheitsministerium schnell die Coronavirusimpfverordnung anpassen und den Ärzten die Entscheidung dazu überlassen, welche ihrer Patienten wann geimpft werden. Außerdem sollten nach britischem Vorbild alle im Augenblick verfügbaren Impfdosen für die Erstimpfung verbraucht werden.
Sobald genügend Impfstoff verfügbar sei, sollten laut der Kammer Jugendlichen über 16 Jahren und jungen Erwachsenen so schnell wie möglich geimpft werden. „Impfungen können hier die Infektionsketten unterbrechen. Davon profitieren alle“, sagte Gehle.
„Würden in den Schulen jeweils die Abschlussklassen und der darauffolgende Jahrgang geimpft, könnten die Schüler Ausbildung und Studium in Präsenz beginnen, da sie nach den Sommerferien bereits zweimal geimpft sein könnten“, empfiehlt er.
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