Ärzteschaft

Ärzteschaft lehnt Konzept der Bürgerversicherung ab

  • Dienstag, 4. Mai 2021
Rudolf Henke (CDU), Präsident der Ärztekammer Nordrhein /Gebhardt
Rudolf Henke (CDU), Präsident der Ärztekammer Nordrhein /Gebhardt

Berlin – Die deutsche Ärzteschaft steht einer von Teilen der Politik geforderten Bürgerversicherung mehr­heitlich kritisch gegenüber. So stimmte auf dem 124. Deutschen Ärztetag ein Großteil der Delegierten ge­gen einen Änderungsantrag, in dem die Antragsteller eine neutralere Haltung gegenüber den Themen du­ales Versicherungssystem und Bürgerversicherung im Leitantrag des Vorstands der Bundesärztekammer (BÄK) forderten.

Der Vorstand hatte sich darin klar zum dualen Versicherungssystem bekannt. Die vor der kommenden Bun­destagswahl von mehreren Parteien ins Spiel gebrachte Vereinheitlichung der Systeme löse keine Proble­me, sondern schaffe neue. Mit der Einführung einer Bürgerversicherung drohten „Rationierung, Wartezeiten und Begrenzungen des Leistungskatalogs“.

Kritik an „wenig differenzierter Polemik“

Damit positioniere sich die Ärzteschaft „quasi parteipolitisch“ kritisierten die Antragsteller Detlef W. Nie­mann, Abgeordneter der Ärztekammer Hamburg, und Katharina Thiede, Abgeordnete der Ärztekammer Ber­lin, in ihrem Papier. Das „emphatische Bekenntnis“ zum dualen System sowie die „wenig differenzierte Po­lemik“ passten nicht zu dem ansonsten „sachlichen und zustimmungswürdigen Leitantrag“.

Sie verwiesen unter anderem auf einen vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) beauftragten Bericht der Wissenschaftlichen Kommission für ein modernes Vergütungssystem (KOMV) aus dem Jahr 2020. Darin gebe es – entgegen der Formulierung im Leitantrag – kein klares Bekenntnis für den Erhalt des dualen Sys­tems, sondern die Empfehlung für eine „partielle Harmonisierung“ des Vergütungsrechts. Die Meinun­gen über die Auslegung des Berichts gingen innerhalb der digital anwesenden Ärzteschaft jedoch deutlich auseinander.

So unterscheidet das Konzept des (KOMW) zwischen Bausteinen der Vergütungssystematiken in der ver­trags­ärztlichen Versorgung für GKV-Versicherte (EBM) und der privatärztlichen Versorgung (GOÄ), die „ge­meinsam weiterentwickelt werden“ sowie „Bereichen, bei denen Unterschiede bewusst erhalten bleiben sollten“. Nach Ansicht der Kritiker des Änderungsantrags eine klare Empfehlung für den Erhalt des dualen Systems.

Zu viel Einfluss durch den Staat

Antragsteller Detlef Niemann kritisierte die „Horrorszenarien“, die der BÄK-Vorstand zum Thema Bürger­ver­sicherung prognostiziere indes als unsachlich. Eine Bürgerversicherung sei nicht von jetzt auf gleich umzu­setzen, beide Systeme müssten auf Vor- und Nachteile untersucht werden. „Wir müssen verbal abrüsten und uns einmischen“, so Niemann.

Auch andere Teilnehmer forderten, das Konzept der Bürgerversicherung nicht kategorisch abzulehnen, so­lange es dafür noch gar kein konkretes Konzept gebe. So nehme man sich die Möglichkeit mitzugestalten und untergrabe mögliches Reformpotenzial.

Zudem könne sich die Ärzteschaft einer Diskussion nicht verschließen, es müsse feste Ansprechpartner ge­ben, die eine politische Diskussion um verschiedene Versicherungssysteme konstruktiv begleiten könnten.

Kritiker des Änderungsantrags beriefen sich auf immer stärkere Eingriffe des Staates in die gesetzliche Krankenversicherung und verwiesen beispielhaft auf dessen zunehmenden Einfluss über die Anteile des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) an der Gematik.

Es könne nicht das Ziel sein, dass wichtige Entscheidungen ausschließlich vom BMG getroffen würden, was bei einem vereinheitlichten Versicherungssystem womöglich der Fall wäre. Eine tatsächliche Selbstverwal­tung sei dann nicht mehr möglich.

Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein, bezeichnete den Plan einer Bürgerversicherung als „Irrweg“. Weitere Delegierte argumentierten, dass Bürger durch das duale System selbst über die Form ihrer Versicherung entscheiden könnten. Diese Wahlfreiheit solle nicht unnötig eingeschränkt werden.

Auch auf ärztlicher Seite müsse Wahlfreiheit möglich sein, erklärte BÄK-Präsident Klaus Reinhardt. „Du­alität ist in der Summe für uns besser. Wir haben den Eindruck, dass innerhalb der Ärzteschaft große Zu­stimmung für diese Position besteht“, so Reinhardt. Diese Annahme bestätigte sich bei der Abstimmung: 139 Delegierte lehnten den Antrag ab, 76 stimmten dafür, acht enthielten sich.

alir

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