Ärztetag lehnt Kommerzialisierung ab, ärztliches Handeln muss unbeeinflusst bleiben

Berlin – Leistungs-, Finanz-, Ressourcen- und Verhaltensvorgaben, die ärztlich verantwortungsvolles Handeln tangieren und mit ärztlich-ethischen Selbstverständnis unvereinbar sind, lehnt die Ärzteschaft ab. Diesen auf dem Leitantrag des Vorstandes der Bundesärztekammer (BÄK) zur Kommerzialisierung im Gesundheitswesen basierenden Beschluss fassten heute die Delegierten des 125. Deutschen Ärztetages.
Die Ärzteschaft habe sich immer dazu bekannt, mit den verfügbaren Ressourcen im Gesundheitswesen möglichst effizient umzugehen, heißt es im mit überwältigender Mehrheit gefällten Beschluss. Man wolle aber keine Entscheidungen treffen oder medizinische Maßnahmen vornehmen, die aufgrund wirtschaftlicher Zielvorgaben erfolgten und dabei das Patientenwohl gefährdeten und den Patienten Schaden zufügen könnten. Die politisch Verantwortlichen seien aufgefordert, diese ärztliche Grundhaltung mit konkreten gesetzgeberischen Maßnahmen zu unterstützen.
Die Delegierten betonten, dass sich Ärztinnen und Ärzte in einen für sie schwer lösbaren Zielkonflikt befänden, wenn von Klinik- und Kostenträgern sowie zunehmend auch von kapitalgetriebenen Fremdinvestoren Druck gemacht werde, in rein betriebswirtschaftlichen Dimensionen zu denken und nach kommerziellen Vorgaben zu handeln.
Für den stationären sowie für den ambulanten Bereich sollten dem Willen der Delegierten zufolge deshalb im Sozialrecht sowie speziell im Zulassungsrecht explizite Regelungen verankert werden, nach denen Träger von Einrichtungen unter Androhung von Sanktionen gewährleisten müssen, dass die bei ihnen tätigen Ärzte ihre berufsrechtlichen Vorgaben einhalten können.
Fehlanreize des DRG-Systems angehen
Grundsätzliche Fehlanreize seien bei der Vergütungssystematik im stationären Sektor offenbar geworden, so die DÄT-Delegierten. Um dem zukünftigen Versorgungsbedarf gerecht zu werden und negative Auswirkungen des diagnosebezogenen Fallpauschalensystems (DRG) zu beheben, müsse es eine grundlegende Reform der bisherigen erlösorientierten Krankenhausfinanzierung geben. Diese dürfe nicht länger ausschließlich auf wirtschaftliche Effizienz eines Krankenhausbetriebes ausgerichtet sein.
Vielmehr solle die Vergütungssystematik vorrangig am Versorgungsbedarf und an angemessenen Vorhaltekosten für Personal, Infrastruktur und Technik ausgerichtet werden. Der Ausgliederung der Pflegepersonalkosten müsse die Ausgliederung der Kosten des ärztlichen Dienstes folgen.
Um die Krankenhäuser nachhaltig aufzustellen, ist aus Sicht des Ärztetags ein Mix aus pauschalierten Vergütungskomponenten zur Deckung von fallzahlunabhängigen Vorhaltekosten, einem fallzahlabhängigen Vergütungsanteil sowie einem Budget zur Entwicklung der Strukturqualität notwendig. Der demografie- und morbiditätsbedingte Versorgungsbedarf sowie die dafür erforderlichen Personalressourcen müssten prospektiv ermittelt und in der Krankenhausplanung vorausschauend berücksichtigt werden.
Im Rahmen der Aussprache zur Kommerzialisierung bestand Einigkeit darin, dass akuter Handlungsbedarf besteht. Julian Veelken von der Ärztekammer Berlin verwies bezüglich der Folgen des DRG-Systems unter anderem auf die starke Arbeitsverdichtung für Ärzte. Das Grundprinzip der Fallpauschalen sei aus seiner Sicht aber kaum reformierbar. BÄK-Präsident Klaus Reinhardt betonte, man müsse einen konzeptionellen Gegenvorschlag vorlegen – wie man es mit dem im Leitantrag umrissenen Kalkulationsmix tue.
Auch ambulanten Bereich ins Auge fassen
Auch im ambulanten haus- und fachärztlichen Bereich drohten bestimmte Entwicklungen, die die Gefahr erhöhen, dass medizinische Entscheidungen zugunsten einer kommerziell motivierten Leistungserbringung beeinflusst werden.
Die Delegierten verwiesen auf sich häufende Übernahmen von Arztpraxen und anderen Gesundheitseinrichtungen durch Fremdinvestoren und sogenannte Private-Equity-Gesellschaften mit einer vorwiegend renditeorientierten Motivation.
Zu befürchten sei in diesem Zusammenhang eine Konzentration von investorenbetriebenen medizinischen Einrichtungen, vor allem in Ballungsräumen – zulasten der Versorgung in ländlichen Gebieten.
Deshalb sollten laut DÄT-Beschluss weitergehende gesetzgeberische Maßnahmen auf Bundes- und Landesebene umgesetzt werden. Insbesondere müsse der Versorgungsauftrag von medizinischen Versorgungszentren (MVZ) zur Wahrung der Trägerpluralität und der freien Arztwahl begrenzt werden.
MVZ-Gründungen durch Krankenhäuser müssten an einen fachlichen und räumlichen Bezug zu deren Versorgungsauftrag gekoppelt werden. Notwendig sei zudem eine Begrenzung von Gewinnabführungsverträge mit externen Kapitalgebern. Ein MVZ-Register solle mehr Transparenz für Patientinnen und Patienten über die im Bereich des SGB V agierenden Finanzinvestoren schaffen.
Gerald Quitterer, Präsident der Bayerischen Landesärztekammer, betonte, bei dem problembehafteten Themenbereich MVZ sei der Gesetzgeber gefordert. Bei investorengesteuerten MVZ sei im höchsten Maße fraglich, inwieweit diese einen positiven Beitrag zur medizinischen Versorgung leisten.
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