Ärztetag unterstützt 24 Stunden geöffnete Portalpraxen in Modellprojekten

Erfurt – Der 121. Deutsche Ärztetag in Erfurt unterstützt die Möglichkeit, eine ambulante Notfallversorgung rund um die Uhr, also auch während der vertragsärztlichen Sprechstunden, durch Notdienstpraxen der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) im Rahmen von Modellprojekten an einzelnen, ausgewählten Klinikstandorten vorzunehmen. Eine solche Regelung trage dazu bei, die Notaufnahmen der Krankenhäuser zu entlasten, erklärten die Delegierten. Allerdings solle primär eine Patientensteuerung und Weiterleitung in niedergelassene Praxen über die bundesweite Rufnummer 116 117 erfolgen.
Zuvor hatten die Delegierten lange über dieses Thema diskutiert. In Schleswig-Holstein habe man gute Erfahrungen damit gemacht, an ausgesuchten Krankenhäusern Portalpraxen einzurichten, die auch werktags, während der Arbeitszeiten, geöffnet sind, sagte Henrik Herrmann, Delegierter aus Schleswig-Holstein. Aus seinem Bundesland komme auch eine Gesetzesinitiative, mit der eine entsprechende Regelung in das Sozialgesetzbuch V aufgenommen werden soll.
„Kein zweites ambulantes System aufbauen“
Tilman Kaethner von der Ärztekammer Niedersachsen wandte sich gegen eine solche Regelung. Ein zweites ambulantes System während der Sprechstundenzeiten der niedergelassenen Praxen aufzubauen, sei fatal: „Wir wollen doch keinen zweiten Bereich neben unseren Praxen haben, ann den sich die Patienten immer wenden können.“
„Die ambulante Versorgung gehört in die Praxis und nirgend woanders hin“, sagt auch Hans-Detlef Dewitz von der Ärztekammer Berlin. „Wir brauchen keine Doppelstrukturen.“ Von den zwölf Portalpraxen, die es in Berlin gebe, seien nur drei gut ausgelastet. „Die anderen behandeln etwa 350 Patienten im Quartal“, sagte Dewitz. „Das ist unwirtschaftlich. Und das kann so nicht gewollt sein.“ Er befürwortete die Einrichtung einer KV-App, die den Patienten anzeigt, wo sie die nächste Arztpraxis finden – so wie es von der KV Hamburg derzeit vorangetrieben werde.
Notaufnahmen der Krankenhäuser sind auch am Tag überlastet
Andreas Botzlar von der Bayerischen Landesärztekammer erklärte, dass die Notaufnahmen der Krankenhäuser zu jeder Tages- und Nachtzeit überlastet seien. „Den fehlalloziierten Patienten, der besser in eine Praxis gegangen wäre, gibt es immer im gleichen Umfang“, sagte er. „Wir wollen einen funktionierten Vorfilter, der die Patienten, die im ambulanten Sektor behandelt werden können, identifiziert, bevor sie in die Notaufnahme des Krankenhauses kommen.“ Deshalb sei es wichtig, dass die Portalpraxen rund um die Uhr geöffnet seien.
Bernd Bertram von der Ärztekammer Nordrhein wies jedoch darauf hin, dass die niedergelassenen Ärzte, die in den Portalpraxen arbeiten, in der ambulanten Versorgung fehlen. Eine Rund-um-die-Uhr-Versorgung in Portalpraxen in Modellversuchen zu erproben, finde er gut. Aber flächendeckend Portalpraxen zu fordern, die 24 Stunden geöffnet seien, sei weit hergeholt.
KBV: Es gibt schon 600 Portalpraxen in Deutschland
Zum Hintergrund: Im Krankenhaus-Strukturgesetz hatte der Gesetzgeber die KVen im Jahr 2015 dazu aufgefordert, Portalpraxen in oder an Krankenhäusern als erste Anlaufstellen für Notfallpatienten einzurichten, um die Notaufnahmen der Krankenhäuser zu entlasten.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat sich vor kurzem dagegen ausgesprochen, an jedem Krankenhaus mit einer Notaufnahme eine Portalpraxis einzurichten. Ein im Auftrag der KBV erstelltes Gutachten hat ergeben, dass es in Deutschland insgesamt 736 Portalpraxen geben müsse, wenn es den Patienten möglich sein soll, eine solche Praxis innerhalb von 30 PKW-Minuten zu erreichen. Heute gebe es bereits 600 Portalpraxen, hatte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der KBV, Stephan Hofmeister, erklärt. Diese seien aber zumeist nur am Abend und am Wochenende geöffnet. Wenn die 600 Portalpraxen rund um die Uhr erreichbar sein sollten, brauche man entsprechend mehr Ärzte, hatte auch er zu bedenken gegeben.
Ärztetag: Notfallversorgung extrabudgetär finanzieren
Der Deutsche Ärztetag hat heute zudem ein integriertes Konzept für eine strukturierte Inanspruchnahme der Notfallversorgung gefordert, das sektorenübergreifend extrabudgetär zu finanzieren sei. Zudem sei eine verbesserte Aufklärung der Bevölkerung zur Inanspruchnahme der Notfallversorgungsstrukturen erforderlich.
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