Notfallkonzept: Lob für Qualitätsanforderungen und Sorge um flächendeckende Versorgung

Berlin – Das neue dreistufige Konzept zur Notfallversorgung in Deutschland, das der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) am vergangenen Freitag vorgestellt hat, hat zwiespältige Reaktionen ausgelöst. Die reichten von Zustimmung bei den Qualitätsanforderungen bis hin zur Sorge um eine flächendeckende Versorgung.
Lob kam von der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). „Das neue System schafft Mindestanforderungen für die Notfallversorgung in Krankenhäusern. Damit können wir in Zukunft sicherstellen, dass nur noch die Kliniken Fördergelder erhalten, die auch klar definierte Qualitätsstandards einhalten“, sagte der DIVI-Experte André Gries, Notärztlicher Leiter der zentralen Notaufnahme am Uniklinikum Leipzig.
Er begrüßte, dass künftig eine zentrale Notaufnahme (ZNA) Grundvoraussetzung für die mit hoher Patientensicherheit stattfindende Notfallversorgung an den Kliniken ist. Fachärzte und qualifizierte Pfleger müssten vor Ort sein. Die leitenden Ärzte oder Pfleger einer zentralen Notaufnahme müssten die Zusatzqualifikation „Klinische Notfall- und Akutmedizin“ beziehungsweise „Notfallpflege“ führen.
Finanzielle Anreize sind richtig
Dies sei „ein erster Schritt in Richtung der dringend notwendigen Professionalisierung der Notfallversorgung, wobei zukünftig nicht nur die Leitungen, sondern die Mehrzahl der dauerhaft in ZNA tätigen Kollegen diese Qualifikationen aufweisen sollten“, hieß es auch aus der Deutschen Gesellschaft interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DGINA).
Der Gesundheitsminister Nordrhein-Westfalens, Karl-Josef Laumann (CDU), lobte das Konzept ebenfalls. „Es ist richtig, Mindestanforderungen an die Notfallstrukturen zu stellen und mit Zu- und Abschlägen entsprechende finanzielle Anreize zu setzen. Das ist auch für Nordrhein-Westfalen ein guter Beitrag zur Steigerung der Strukturqualität in der Notfallversorgung“, erklärte der Minister.
Zustimmung zu dem Konzept signalierte auch die Deutsche Herzstiftung. „Wir begrüßen den G-BA-Beschluss als wichtigen Schritt für eine bessere Versorgung und den Erhalt von Lebensqualität von Herznotfallpatienten“, sagte Thomas Voigtländer aus dem Vorstand der Stiftung.
Versorgungslücken befürchtet
Viele andere befürchten aber eine Ausdünnung der Versorgungsstrukturen. Der erste Vorsitzende des Marburger Bundes (MB), Rudolf Henke, sprach von einem „Kahlschlag“ bei der Notfallversorgung. Ihm fehlt eine transparente Abschätzung der Folgen des Konzeptes.
„Bei dem vorliegenden Ergebnis stellt sich schon die Frage, auf welcher Grundlage der G-BA die Folgewirkungen seiner Mindestvorgaben für die flächendeckende Notfallversorgung beurteilt hat“, kritisierte Henke. Das Beschlussverfahren und das Ergebnis der Wirkungsprognose seien bis zum Schluss für Außenstehende intransparent geblieben. Es sei jedenfalls ein Versäumnis, derart weitreichende Entscheidungen zu treffen, ohne den Beteiligten eine verlässliche Folgenabschätzung zur Verfügung zu stellen, so Henke.
Der Katholische Krankenhausverband Deutschlands (kkvd) sieht die flächendeckende Versorgung gefährdet. „Künftig werden Patienten weitere Wege in Kauf nehmen müssen, das betrifft vor allem die ältere Bevölkerung in ländlichen Regionen in negativer Weise“, sagte der Vize-Vorsitzende Ingo Morell in Berlin.
Umsetzung unklar
Trotz der G-BA-Entscheidung ist nach wie vor offen, wie das Konzept umgesetzt wird. Denn die Bundesländer, in deren Hoheit die Krankenhausplanung gehört, können Krankenhäuser in andere Notfallversorgungs-Kategorien einordnen, wenn sie dies für die Versorgung vor Ort für notwendig erachten. „Dem Kahlschlag kann wirksam entgegengewirkt werden, wenn die Länder ihrer Verantwortung für eine Basisnotfallversorgung in strukturschwachen Gebieten gerecht werden“, kommentierte daher der MB-Vorsitzende Henke.
Erste politische Zusicherungen, dies zu tun, kamen bereits aus Rheinland-Pfalz. Um mögliche Versorgungslücken zu vermeiden, werde das Land für einzelne Krankenhäuser, die für die Aufrechterhaltung einer guten Notfallversorgung unabdingbar seien, Ausnahmeregelungen einsetzen, hatte Landesgesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) erklärt. Die Landesärztekammer reagierte erleichtert. „Kleine Häuser sind gerade in der Fläche wichtige Versorgungspartner; deshalb ist die Zusage der Ministerin von großer Bedeutung“, sagte der Kammerpräsident Günther Matheis.
DIVI warnt vor Denkfehler
„Weiße Flecken“ auf der Landkarte der Notfallversorgung befürchtet die DIVI hingegen nicht. „Durch besser ausgestattete Notfallaufnahmen werden auch die Patienten besser versorgt“, betonte Gries. Zwar könne der Weg zu einer Klinik mit zentraler Notaufnahme „etwas weiter sein“. „Aber wir dürfen uns nicht einbilden, dass die aktuelle Nahversorgung und Struktur der Notfallversorgung optimal sind. Das wäre ein Denkfehler“, so der DIVI-Experte.
Der Verband der Krankenhausdirektoren Deutschlands (VKD) warnte heute davor, das neue Konzeptt in den Bundesländern zu übernehmen, ohne zuvor ihre Wirkung auf die flächendeckende Versorgung in Notfällen sowie auf die Krankenhausversorgung insgesamt zu analysieren. Das Konzept dürfe nicht zu einer Schwächung der Krankenhausversorgung führen, sagte Falko Milsku, Sprecher des VKD.
Das vergangene Woche gegen die Stimmen der Krankenhausvertreter im G-BA beschlossene Konzept sieht Mindestanforderungen für Krankenhäuser vor, die an der Notfallversorgung teilnehmen. Hierzu gehören laut G-BA zumindest eine Station für Innere Medizin, eine Station für Chirurgie, im Bedarfsfall eine Intensivstation mit mindestens sechs Beatmungsplätzen, und erforderlichenfalls muss spätestens 30 Minuten nach Einlieferung ein Facharzt am Klinikbett stehen.
Nur Häuser, die diese Kriterien erfüllen, so der G-BA, bekommen künftig entsprechende Vergütungszuschläge. Nach Berechnung des G-BA trifft dies bundesweit auf 64 Prozent der Krankenhäuser zu. Die restlichen 36 Prozent, die keinen Zuschlag erhalten werden, „haben ganz überwiegend auch in der Vergangenheit keine Notfallversorgung erbracht“, so der G-BA.
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