Ärztliche Behandlungsfehler bleiben selten

Berlin – Die Zahl ärztlicher Behandlungsfehler in der Versorgung bleibt nach Auswertung der Behandlungsfehlerstatistik für das Jahr 2021 wie in den Vorjahren äußerst gering und liegt im Promillebereich.
Dies ist der Fall, obwohl die Behandlungsfälle in Klinik und Praxis in den vergangenen Jahren kontinuierlich auf fast eine Milliarde Arzt-Patienten-Kontakte ambulant und knapp 20 Millionen stationäre Behandlungen gestiegen sind. Dies geht aus einer neuen Erhebung hervor, die die Bundesärztekammer (BÄK) heute veröffentlichte.
Alltag ist demnach in der medizinischen Praxis der mittlerweile transparente Umgang mit Fehlern: „Überall dort, wo Menschen arbeiten, passieren Fehler – auch in der Medizin“, sagte Lundershausen, Vizepräsidentin der BÄK und Co-Vorsitzende der Ständigen Konferenz der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der BÄK.
Damit gehe man aber offen um, lerne aus ihnen und unterstütze betroffene Patienten, zu ihrem Recht zu kommen, erklärte sie unter Verweis auf die zunehmend etablierten Qualitätszirkel, Peer-Reviews, Konsile, Tumorkonferenzen oder Morbiditäts- und Mortalitätskonferenzen in den verschiedenen medizinischen Einrichtungen.
Festgestellte Fehler im Promillebereich
Der aktuellen Behandlungsfehlerstatistik zufolge trafen die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen bundesweit im vergangenen Jahr 5.324 Sachentscheidungen zu mutmaßlichen Behandlungsfehlern.
Dabei lag in 1.416 Fällen tatsächlich ein Behandlungsfehler vor, wobei in 1.293 Fällen der Behandlungsfehler beziehungsweise Risikoaufklärungsmangel als Ursache für einen Gesundheitsschaden ermittelt wurde, der schließlich auch einen Anspruch auf Entschädigung begründete. Ein Behandlungsfehler oder Risikoaufklärungsmangel ohne kausalen Gesundheitsschaden als Folge lag in 180 Fällen vor.
Betrachtet werden müssen diese Zahlen vor dem Hintergrund der vielen Arzt-Patienten-Kontakte in Deutschland. Konkret stiegen die ambulanten Behandlungsfälle zwischen den Jahren 2004 und 2019 um 183 Millionen auf 719 Millionen. In den Krankenhäusern erhöhte sich die Zahl der Behandlungsfälle im gleichen Zeitraum um 2,6 Millionen auf 19,4 Millionen Fälle.
„Wir müssen die Risiken in der Medizin richtig einordnen, um Patienten nicht unnötig zu verunsichern“, mahnte Andreas Crusius, ebenfalls Vorsitzender der Ständigen Konferenz der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen. Für Panikmache und Pfuschvorwürfe gebe es überhaupt keinen Grund, sondern schade nur der mittlerweile gut etablierten offenen Fehlerkultur in der Medizin.
Gemessen an der hohen und seit Jahren steigenden Zahl der Behandlungsfälle sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich liege die Zahl der festgestellten Fehler im Promillebereich, so Crusius. Als eine Gefahrenquelle sieht der Präsident der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern jedoch den Zeit- und Personalmangel in den Kliniken und Praxen.
„Die über Jahrzehnte von der Politik geschaffenen ökonomischen Rahmenbedingungen in unserem Gesundheitssystem sind nicht auf maximale Patientensicherheit ausgerichtet, sondern auf maximale Effizienz“, kritisiert er.
Die häufigsten Diagnosen, die zu Behandlungsfehlervorwürfen führten, waren auch 2021 Knie- und Hüftgelenkarthrosen sowie Unterschenkel- und Sprunggelenkfrakturen. In den Kliniken waren somit vor allem der Fachbereich Unfallchirurgie und Orthopädie mit 1.294 Fällen bei 4.232 Krankenhausbeteiligungen in Haftpflichtfragen involviert beteiligt und damit Spitzenreiter aller Fachabteilungen.
Darauf folgen die Fachabteilungen Allgemeinchirurgie (608), Innere Medizin (395), Frauenheilkunde (299), Neurochirurgie (216), Anästhesiologie und Intensivmedizin (151) sowie Geburtshilfe (140), Urologie (140), Neurologie (115) Kardiologie (105).
Orthopädie und Unfallchirurgie am häufigsten vertreten
Im niedergelassenen Bereich bei Praxen und Medizinischen Versorgungszentren ist ebenfalls die Orthopädie und Unfallchirurgie mit 393 Fällen bei 1.560 Haftpflicht- und Schlichtungsverfahren am häufigsten vertreten.
Danach folgen der hausärztliche Bereich (184), die Augenheilkunde (121), die Frauenheilkunde (112) die Innere Medizin (101), die Radiologie (69), die Allgemeinchirurgie (67), die Dermatologie (63), die Urologie (61) und die Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde (60).
Die häufigsten Fehlerarten waren im niedergelassenen Bereich die bildgebenden Verfahren im Rahmen der Diagnostik (93 Fälle) und die operative Therapie (61 Fälle). Im Krankenhaus waren die häufigsten Fehlerarten die Operationen (325 Fälle), die bildgebenden Verfahren im Rahmen der Diagnostik (195 Fälle) und postoperative therapeutische Maßnahmen (161 Fälle).
Insgesamt zeigte die Behandlungsfehlerstatistik 2021 einen Rückgang der Zahl der Anträge auf eine Untersuchung eines möglichen. Sie sank um zwölf Prozent im Vergleich zum Vorjahr von 9.483 Anträgen auf 8.449 Anträge.
Zum Vergleich: 2018 waren es 10.839 Anträge, 2012 sogar noch 12.232 Anträge. Dennoch: „Jeder Fehler innerhalb der Behandlung ist einer zu viel. Unser Ziel ist es auszuschließen, dass ein und derselbe Fehler zweimal passiert“, betont BÄK-Vizepräsidentin Lundershausen.
Ärzte würden zwar den Patienten nicht immer Heilung versprechen können, wohl aber, dass sie sich mit ganzer Kraft für die Qualität ihrer Behandlung und damit für ihre Sicherheit einsetzten.
Dafür hat sich auch die Ärzteschaft in den vergangenen Jahren mit dem Ausbau der Fehlersysteme in der Medizin sehr eingesetzt und eine Kultur des kritischen und auch selbstkritischen Umgangs mit unterlaufenen Behandlungsfehlern entwickelt.
Beispiele sind das CIRS (Critical Incident Reporting System) sowie Peer-Review-Verfahren, bei denen speziell weitergebildete Ärztinnen und Ärzte in die Krankenhäuser fahren, um mit der Kollegenschaft vor Ort über Maßnahmen zur Verbesserung der Patientensicherheit zu sprechen.
Eingang findet auch die statistische Erhebung der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen bei den Ärztekammern. Jährlich bewerten sie im Hinblick auf die Arzthaftung rund 10.000 Behandlungen, bei denen Behandlungsfehler vermutet werden.
Aus diesen Verfahren werden anonyomisierte Daten mit Hilfe des Medical Error Reporting Systems (MERS) einheitlich erfasst und in der bundesweiten statistischen Erhebung zusammengeführt, um Fehlerhäufigkeiten zu erkennen und Fehlerursachen auszuwerten und sie schließlich für die Fortbildung und Qualitätssicherung zu nutzen.
Für die Durchführung ist die Geschäftsstelle der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern in Hannover von der Bundesärztekammer beauftragt. Finanziert wird die Erfassung und Auswertung von den teilnehmenden Landesärztekammern.
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