Vermischtes

Zahl der Behandlungsfehler verharrt auf Vorjahresniveau

  • Donnerstag, 17. August 2023
/boyloso, stock.adobe.com
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Berlin – Im vergangenen Jahr hat der Medizinische Dienst (MD) 13.059 fachärztliche Gutachten zu vermuteten Behandlungsfehlern erstellt. In jedem vierten Fall wurde ein Fehler und ein Schaden festgestellt; in jedem fünften Fall (2.696) war der Fehler Ursache für den erlittenen Schaden.

Das geht aus der heute vorgelegten Jahresstatistik zur Behandlungsfehlerbegutachtung des MD hervor. Die Zahlen bewegen sich auf dem Niveau der Vorjahre.

Stefan Gronemeyer, Vorstandvorsitzender des Medizinischen Dienstes Bund, forderte, dass schwerwiegende, aber sicher vermeidbare Ereignisse wie Seiten- oder Medikamentenverwechslungen (Never Events) verpflich­tend gemeldet werden. „Das ist internationaler Standard in der Patientensicherheit. Es ist aus Patientensicht nicht hinnehmbar, dass Deutschland das nicht umsetzt.“

Entsprechende Schadensereignisse würden jedes Jahr in der Begutachtungsstatistik der Medizinischen Diens­te auftauchen, obwohl die Risiken bekannt seien und geeignete Präventionsmaßnahmen verfügbar wären.

Die geplante Novellierung des Patientenrechtegesetzes biete die Chance, eine verpflichtende Nationale Never Event-Liste einzuführen und dadurch die Patientensicherheit in der Versorgung zu stärken, so Gronemeyer. Eine solche Meldung der Schadensereignisse diene ausschließlich der Prävention und solle für die Einrich­tungen sanktionsfrei und pseudonymisiert erfolgen.

Gronemeyer wies zudem darauf hin, dass die Begutachtungszahlen nur einen sehr kleinen Ausschnitt des tat­sächlichen Geschehens zeigten. Es sei „lange bekannt und durch Studien belegt“, dass die Dunkelziffer deut­lich höher liegt.

Schätzungsweise würden nur etwa drei Prozent aller unerwünschten Ereignisse nachverfolgt. Die Daten seien also nicht repräsentativ für das gesamte Versorgungsgeschehen, in welchem generell noch mehr für eine Sicherheitskultur getan werden müsse.

In der aktuellen Jahresstatistik bezogen sich zwei Drittel aller erhobenen Behandlungsfehlervorwürfe auf Leistungen in der stationären Versorgung, zumeist in Krankenhäusern (8.827 Fälle). Ein Drittel bezog sich auf Arztpraxen (4.208 Fälle).

Dabei betrafen 30,3 Prozent aller Vorwürfe (3.960 Fälle) die Orthopädie und Unfallchirurgie, 12,2 Prozent die Innere Medizin und Allgemeinmedizin (1.599 Fälle), jeweils knapp neun Prozent die Frauenheilkunde und Ge­burtshilfe (1.143 Fälle) sowie die Allgemein- und Viszeralchirurgie (1.133 Fälle). Bei 84 Fällen hat ein Fehler zum Versterben geführt oder wesentlich dazu beigetragen.

„Wir wissen aus der täglichen Beratung unserer Versicherten, dass Patientinnen und Patienten, die einen Be­handlungsfehler vermuten, nach wie vor große Probleme haben, ihre Rechte durchzusetzen“, kommentierte die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann, die Zahlen.

Es gebe zu hohe Hürden bei der Beweisführung, oft lange Verfahrensdauern und Probleme bei der Schadens­re­gu­lierung. Die AOK-Gemeinschaft fordere deshalb eine Weiterentwicklung des Patientenrechtegesetzes von 2013.

Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz sieht gesetzlichen Handlungsbedarf. Die Stellung von Patienten im Gesundheitssystem werde nicht gestärkt, kritisierte Vorstand Eugen Brysch in der Neuen Osnabrücker Zeitung. Von einem Härtefallfonds fehle „jede Spur“. Ein bundeseinheitliches Zentralregister lasse ebenfalls auf sich warten.

„Missstände lassen sich aber nur erkennen, wenn eine lückenlose Dokumentation erfolgt“, sagte Brysch. „Ärzte und Pflegekräfte sowie Krankenhäuser, Praxen und Pflegeheime brauchen endlich eine Fehlerkultur.“ Ein zentrales Register könne alle Daten sammeln, um besser aus Fehlern zu lernen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) müsse Patientenrechte gesetzlich stärken.

Dazu gehöre auch eine Beweislastumkehr zugunsten der Geschädigten. Zum Hintergrund: Derzeit müssen Patienten im Grundsatz nachweisen, dass ein Behandlungsfehler vorliegt und dass dieser ursächlich für den bei Ihnen eingetretenen Schaden ist.

Forderungen nach einer solchen Beweislastumkehr bei Behandlungsfehlern seien „nachvollziehbar“, sagte Gronemeyer. Unbedingt gestärkt werden müssten aber eben auch Ansätze, mit den Fehler schon im Vorfeld vermieden werden – bezüglich einer besseren Versorgungsqualität und Patientensicherheit verknüpfe er gewisse Erwartungen mit der geplanten Krankenhausreform sowie der Transparenzoffensive.

aha

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