Ambulante Versorgung: Jeder zweite Niedergelassene plant vorzeitige Aufgabe

Berlin – Viele Ärzte wollen offenbar am liebsten schon vor dem eigentlichen Ruhestandsalter nicht mehr in der vertragsärztlichen beziehungsweise psychotherapeutischen Versorgung arbeiten. Das zeigt eine neue Erhebung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi).
Demnach planen lediglich rund 51 Prozent der Praxisinhaber bis zum altersbedingten Ruhestand in der ambulanten Versorgung zu verbleiben. Etwa 49 Prozent erwägen für sich andere Wege. 20 Prozent davon wollen vorzeitig in den Ruhestand gehen.
Weitere 14 Prozent planen ihre eigene Niederlassung aufzugeben, um sich in einer anderen Praxis oder in einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) anstellen zu lassen. Acht Prozent der Befragten wollen ihrer Zulassung abgeben und nur noch privatärztlich arbeiten. Einen „alternativen Beruf“ streben drei Prozent an. Zwei Prozent wollen den Praxisstandort verlegen und ein Prozent ins Krankenhaus gehen.
Für die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) kein überraschendes Ergebnis. „Diese Umfrage spricht Bände“, sagten unisono die KBV-Vorstände Andreas Gassen, Stephan Hofmeister und Sibylle Steiner. „Die qualitativ hochwertige und wohnortnahe ambulante Versorgung steht kurz vor dem Kipppunkt“.
Die Ergebnisse zeigten eindringlich, wie schlecht es um die Rahmenbedingungen der ambulanten Versorgung stehe. Überbordende Bürokratie, dysfunktionale Digitalisierung und immense Kostenanstiege verärgerten und frustrierten die Kolleginnen und Kollegen.
„Die Rahmenbedingungen stimmen nicht mehr“, sagte auch der Zi-Vorstandsvorsitzende Dominik von Stillfried. Mehr als 61 Tage pro Jahr müsse jede Praxis im Durchschnitt für bürokratische Tätigkeiten aufwenden, die häufigen Unterbrechungen des Praxisablaufs durch IT-Zusammenbrüche nicht mitgerechnet.
Zudem mache die allgemeine Teuerung auch vor den Praxen nicht Halt: Die Kosten für Personal, Energie, Mieten, Material oder medizinische Geräte sind laut dem Zi stärker gestiegen als die Inflation.
„Während die Verbraucherpreise zwischen 2019 und 2022 um fast zwölf Prozent zunahmen und die Finanzlage der gesetzlichen Krankenkassen sich ähnlich verbessert hat, haben die Praxen in dieser Zeit zusammengerechnet nur sechs Prozent mehr pro Leistung erhalten. Viele Praxisführende machen damit Jahr für Jahr ein reales Minus“, sagte der Zi-Vorstandsvorsitzende.
Er betonte, ein Verlust der Praxisstrukturen schädige die lokale Infrastruktur und die medizinische Versorgung nachhaltig. Krankenhäuser, Telemedizin oder andere Heilberufe könnten dies nicht auffangen.
„Handlungsleitend muss die Frage sein: Was veranlasst niedergelassene Ärztinnen und Ärzte dazu, ihren Beruf wieder eher länger als kürzer auszuüben und die Praxen für die Patientinnen und Patienten offenzuhalten?“ so Stillfried.
Das Zi hat die Umfrage im Rahmen des Projektes „ Zi-Praxis-Panel (ZiPP)“ durchgeführt. Von den 68.000 angeschriebenen niedergelassenen Ärzten sowie Psychotherapeuten haben sich mehr als 4.000 Praxisinhaber beteiligt.
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