KBV-Chef Gassen kritisiert geplante Gesundheitsgesetze als unausgereift

Berlin – Von den „zahllosen“ in Arbeit befindlichen Gesundheitsgesetzen ist kaum eines ausgereift und dazu geeignet, die Versorgung zu verbessern. Das kritisierte heute Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), im Rahmen der KBV-Vertreterversammlung.
So werde beispielsweise das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) „extrem teuer“, ohne dass ein Ambulantisierungsschub zu erwarten sei, sagte Gassen. Nach seiner Einschätzung wird die Überweisung in den Vermittlungsausschuss und ein dortiges Scheitern des KHVVG immer wahrscheinlicher.
„Allerdings macht dann auch eine, an sich notwendige, Notfallreform nur noch wenig Sinn“, so Gassen. Die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wiederholt angekündigte „Generalüberholung“ des Gesundheitswesens scheitere oft schon an den handwerklichen Unzulänglichkeiten seiner Gesetze.
Der KBV-Chef wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass man unter der Überschrift der Kampagne „Wir sind für Sie nah“ im Sommer die Mitglieder des Bundestags angeschrieben habe, um sie dafür zu sensibilisieren, welche Tragweite die Gesetze hätten, über die sie nach der Sommerpause entscheiden müssten.
Keines der geplanten Gesetze schaffe mehr Arztzeit, geschweige denn mehr Ärztinnen und Ärzte – im Gegenteil. Die vorgesehenen Maßnahmen machten in der Gesamtschau Praxen als Arbeitsplätze noch unattraktiver, und zwar sowohl für gründende oder übernehmende Ärztinnen und Ärzte als auch für das Personal.
Gassen thematisierte die gestern vom Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) veröffentlichten Zahlen, wonach nur die Hälfte der derzeit niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten plant, ihre Praxis bis zum Renteneintritt fortzuführen.
20 Prozent gaben demnach an, vorzeitig ganz aus der Patientenversorgung aussteigen, weitere 14 Prozent wollen die eigene Niederlassung aufgeben, um sich in einer anderen Praxis oder einem MVZ anstellen zu lassen.
„Es ist aber nicht der Beruf als solcher, der sie vorzeitig aufgeben lässt“, so Gassen. Gründe seien die starke Arbeitsbelastung, die hohen Praxiskosten, die Bürokratie und der Fachkräftemangel. Wenn der Bundesgesundheitsminister glaube, diese Ärztinnen und Ärzte würden ihre Praxen aufgeben und dann in Krankenhäuser und sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen hinüberwandern, sie das „eine gesundheitspolitische Fata Morgana“.
Es gebe aus seiner Sicht nur wenige Aspekte der aktuellen Gesetzgebung – wie die geplante hausärztliche Entbudgetierung und die Bagatellgrenze bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen –, die zu solchen Entwicklungen ein Gegengewicht bilden. Diese „Minimalschritte in die richtige Richtung“ im Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) müssten auf jeden Fall kommen.
Die zukünftige ambulante Versorgung verdiene eine „durchdachte und in sich schlüssige Gesundheitspolitik mit Augenmaß“, betonte Gassen. Derzeit begünstige das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) aber den stationären Bereich finanziell überproportional. Jeder dritte Euro an GKV-Beitragsgeldern fließe bereits in die Krankenhäuser und das KHVVG sehe weitere Finanzspritzen vor.
Und während der Veränderungswert für die Krankenhäuser im Zeitraum 2013 bis 2024 um mehr als 43 Prozent gestiegen sei, sei der Orientierungswert (OW) für die vertragsärztliche Versorgung nur um 20,4 Prozent angewachsen, so Gassen. Man brauche endlich eine nachhaltige Finanzierung der Praxen, wofür die vorgegebene Systematik für die jährlichen Finanzierungsverhandlungen mit den Kassen aber nicht ausreichen würden.
Immerhin könnten in diesem Jahr die Tarifsteigerungen für die Medizinischen Fachangestellten (MFA) erstmalig unmittelbar berücksichtigt werden und nicht erst mit zwei Jahren Verzug. Gleiches fordere man seit Jahren auch bei der Steigerung des kalkulatorischen Arztgehalts, also der Berücksichtigung der ärztlichen Leistung im Orientierungswert. Bisher hätten sich die Krankenkassen stur gestellt, aber es komme Bewegung in die Diskussion.
„Die Krankenkassen sehen die Probleme der Praxen und es besteht mittlerweile Einigkeit, dass eine OW-Anpassung in Höhe der von den Kassen initial angebotenen 1,6 Prozent bei weitem nicht ausreichend ist“, sagte Gassen zu den laufenden Gesprächen. Er sei daher zuversichtlich, dass man es in der gemeinsamen Selbstverwaltung schaffe, eine Einigung zum Orientierungswert zu erzielen. Allerdings bleibe die Notwendigkeit, die Finanzierungssystematik grundsätzlich zu verändern, unbestreitbar.
Am 16. September steht die nächste Verhandlungsrunde zwischen KBV und GKV-Spitzenverband an.
Der KBV-Vorstandsvorsitzende schnitt auch das Thema der Finanzierung der ärztlichen und psychotherapeutischen Weiterbildung in Praxen an.
Seit Ende 2023 hätten sich die drei Bereiche Hausärzte, Fachärzte und Psychotherapeuten in mehreren Runden mit dem KBV-Vorstand und der Fachebene darüber ausgetauscht. Die Hausärzte würden derzeit keinen Änderungsbedarf an der Förderung der allgemeinmedizinischen Weiterbildung sehen.
Fachärzte und Psychotherapeuten hätten sich aber auf ein Konzept verständigt. Dieses sehe vor, dass die Finanzierung der Weiterbildung künftig über Zuschläge im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) erfolgen soll – bei den Fachärzten auf den Behandlungsfall, bei den Psychotherapeuten je Sitzung.
Dabei solle sich die Höhe der Zuschläge an der Förderung in der Allgemeinmedizin orientieren – also 5.800 Euro –, wobei in unterversorgten oder drohend unterversorgten Regionen zusätzliche Zuschläge möglich sein sollen. Sofern eine Praxis einen Arzt oder Psychotherapeuten in Weiterbildung beschäftigt, soll zudem eine Erhöhung der Fallzahlen um mindestens 25 Prozent zulässig sein.
„Auch hierzu stehen wir mit Minister Lauterbach in Kontakt“, sagte Gassen. Der Politik müsse klar sein, dass die Weiterbildung in den Praxen ist nicht bloß „nice to have“, sondern ein Schlüsselthema für die Zukunft der gesamten ambulanten Versorgung darstelle.
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