Ausland

Ansage an Astrazeneca: Von der Leyen droht mit Exportstopp

  • Montag, 22. März 2021
/picture alliance, NurPhoto, Jakub Porzycki
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Brüssel – Wegen des Mangels an Coronaimpfstoff in der Europäischen Union schlägt Kommissionschefin Ursula von der Leyen gegenüber den Herstellern härtere Töne an. Am Wochenende drohte sie mit weite­ren Exportbeschränkungen vor allem gegen Astrazeneca sowie gegen Großbritannien.

Der EU-Gipfel Ende der Woche soll entscheiden, wie stark die Zügel angezogen werden. Auch die Mög­lich­keit für direkte Impfstoffspenden der EU an ärmere Länder sieht von der Leyen derzeit nicht, wie sie der Funke-Mediengruppe sagte.

Die EU-Kommission hatte bereits am vergangenen Mittwoch neue Exportauflagen ins Spiel gebracht, Details aber offen gelassen. Nach ihren Angaben wurden seit 1. Februar mindestens 41 Millionen Dosen Impfstoff aus der EU exportiert, obwohl hier Impfstoff fehlt und Impfungen nur langsam vorankommen. Zehn Millionen Impfdosen aus der EU gingen den Angaben zufolge allein nach Großbritannien.

„Ich kann europäischen Bürgern nicht erklären, warum wir Millionen Impfstoffdosen in Länder exportie­ren, die selbst Impfstoff produzieren – und von denen nichts zurück kommt“, sagte von der Leyen in dem Zeitungsinterview. „Wir sind offen, aber das muss verhältnismäßig sein und auf Gegenseitigkeit beruhen.“

Der britisch-schwedische Hersteller Astrazeneca habe im ersten Quartal nur 30 Prozent der vereinbarten Menge geliefert. Vertraglich sei klar geregelt, dass die EU auch Astrazeneca-Impfstoff aus Fabriken in Großbritannien erhalte.

„Von den Briten haben wir aber nichts bekommen, während wir ihnen Impfstoff liefern“, sagte von der Leyen. „Wir haben die Möglichkeit, einen geplanten Export zu verbieten. Das ist die Botschaft an Astraze­neca: Du erfüllst erst deinen Vertrag gegenüber Europa, bevor du beginnst, in andere Länder zu liefern.“

Astrazeneca wurde bereits Anfang März einmal ein Export verboten – Italien stoppte eine Lieferung von 250.000 Dosen nach Australien. Denn bereits seit 1. Februar gelten Exportkontrollen und eine Genehmi­gungspflicht.

Es war der bisher einzige bekannte Antrag Astrazenecas, größere Mengen auszuführen. Will die EU wirk­lich mehr hier hergestellten Impfstoff behalten, müsste sie wohl auch auf andere Hersteller zielen. So liefert vor allem Biontech/Pfizer Vakzine nach Großbritannien.

Dort löste von der Leyens Drohung mit neuen Exportauflagen Empörung aus. Die Financial Times schrieb, Premierminister Boris Johnson habe von der Leyen im vertraulichen Gespräch vor einem „Impf­stoffkrieg“ gewarnt.

Der britische Verteidigungsminister Ben Wallace warnte die EU bei Sky News, es wäre kontraproduktiv, Impfstoffexporte zu stoppen. „Denn was wir sicher über Impfstoffproduktion wissen, ist, dass sie ge­mein­schaftlich abläuft.“ Auch der Verband forschender Arzneimittelhersteller wandte sich in der Ärzte­zeitung gegen einen EU-Exportstopp, weil dies „die ganze Logistikkette ins Straucheln“ bringen könnte.

Zuvor hatte der britische Telegraph gemeldet, Pfizer/Biontech beziehe wichtige Zutaten für die Produk­tion in der EU aus Großbritannien. Dies wurde am Wochenende aus EU-Kreisen auch bestätigt. Die EU ziele gar nicht darauf, Impfstofflieferungen an Großbritannien abzustellen, hieß es in Brüssel.

Vielmehr gehe es um Gegenseitigkeit und Verhältnismäßigkeit. EU-Kommissarin Mairead McGuinness sagte der BBC: „Wir beliefern Großbritannien mit Impfstoffen, also bin ich der Meinung, dass es dabei nur um Offenheit und Transparenz geht.“

Impfstoffe sind ein Topthema beim EU-Gipfel am kommenden Donnerstag und Freitag. Wegen stark stei­gender Infektionszahlen in Europa kann das Treffen der Staats- und Regierungschefs jedoch nicht in Brüs­sel stattfinden. EU-Ratschef Charles Michel plant stattdessen eine Videokonferenz, wie sein Spre­cher gestern mitteilte.

Großbritannien Premierminister Boris Johnson sucht unterdessen offenbar das Gespräch. Johnson wolle noch vor dem EU-Gipfel diese Woche bei Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron dafür werben, die Ausfuhr nicht zu blockieren, berichtete die BBC heute.

Aus EU-Kreisen hieß es heute, die britische Regierung habe bei ihrer Impfstrategie auf volles Risiko ge­setzt. Sie habe alle verfügbaren Mengen sofort genutzt und nichts für die nötige Zweitimpfung zurück­gehalten.

Nun sollten mögliche Engpässe aus der Produktion in der EU gedeckt werden, aus der ohnehin bereits mindestens 18 Millionen Impfdosen nach Großbritannien gegangen seien – zehn Millionen seit Einfüh­rung von Exportkontrollen am 1. Februar und der Rest davor.

Solange Astrazeneca die EU-Verträge nicht erfülle, sei die Neigung begrenzt, auf eigene Ansprüche zu­gunsten Großbritanniens zu verzichten, hieß es weiter. Die Gefahr, Großbritannien könnte dann Zutaten für die Impfstoffproduktion in der EU zurückhalten, sei klein. Denn die EU liefere auch Rohstoffe für die Produktion in Großbritannien. „Das geht in beide Richtungen“, hieß es.

Die britische Gesundheits-Staatssekretärin Helen Whately sagte dem Sender BBC Radio 4: „Wir erwarten, dass die Europäische Union sich an ihre Verpflichtungen hält. Und ich bin mir sicher, dass der Premier­minis­ter mit seinen Kollegen in Kontakt sein wird.“ Wichtig sei, dass alle Länder mit ihren Impfungen vorankämen.

dpa

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