Politik

Arbeitsbedingungen treiben Hebammen aus dem Beruf

  • Donnerstag, 5. Mai 2022
Die Studentinnen Laura (r) und Lea üben unter Anleitung von Bianca Hünlich, Lehrkraft für Hebammenkunde, das Ertasten der Lage eines Kindes an einer schwangeren Übungspuppe. /picture alliance, Jan Woitas
/picture alliance, Jan Woitas

Berlin – Zeitmangel, personeller Notstand und fachfremde Tätigkeiten verursachen hohe Belas­tungen bei He­bammen. Das hat schwerwiegende Folgen, wie der Deutsche Hebammen Verband (DHV) heute anlässlich des internationalen Hebam­men­tages kritisiert. Demnach arbeiten 70 Prozent nur noch in Teilzeit, haben dem Kreißsaal den Rücken zugekehrt oder ihren Beruf ganz aufgegeben.

Einer DHV-Umfrage unter 3.516 teilnehmenden Hebammen zufolge würden 77 Prozent (2.718 Personen) wie­der oder mehr im Kreißsaal arbeiten, „wenn die Eins-zu-eins-Betreuung der Frau garantiert ist, ich nur He­bammentätigkeit ausführen muss und hebammengeleitete Geburtshilfe nicht nur leere Worte sind“ – wie es in der Umfrage heißt.

„Die Arbeitsbedingungen in der klinischen Geburtshilfe haben sich in den vergangenen 20 Jahren dramatisch verschlechtert“, sagte die DHV-Präsidentin Ulrike Geppert-Orthofer. Hebammen würden genötigt, in Stoßzei­ten bis zu vier Gebärende gleichzeitig zu betreuen, doppelt so viele wie in anderen europäischen Ländern.

Dies sei „ein Skandal und einem Land wie unserem unwürdig“, sagte sie und fordert einen Paradigmenwechsel in der Geburtshilfe. „Menschwerden muss in Deutschland unter menschlichen und höchsten Standards mög­lich sein“, betonte sie.

Andrea Ramsell, Beirätin für den Angestelltenbereich im DHV, kritisiert strukturelle Fehlanreize. „Geburtshilfe in deutschen Kliniken lohnt sich de facto nicht. Und genau hier muss dringend ein Umdenken erfolgen. Kli­ni­sche Geburtshilfe muss zu den gewinnbringenden Abteilungen eines Krankenhauses gehören und eine perso­nalintensive Eins-zu eins-Betreuung ausdrücklich belohnt werden“, so ihre Forderung.

„Hebammen leisten einen unverzichtbaren Beitrag für eine professionelle, leitliniengerechte und vor allem emphatische Betreuung Schwangerer, junger Mütter und Neugeborener“, sagte der Patientenbeauftragte der Bundesregierung Stefan Schwartze (SPD). Es sei daher „genau richtig“, dass der Koalitionsvertrag eine Stär­kung der flächendeckenden Geburtshilfe und verbesserte Arbeitsbedingungen der Hebammen vorsehe.

„Besonders hervorzuhebende Maßnahmen sind dabei die vorgesehene Einführung eines Personalschlüssels für eine Eins-zu-Eins-Betreuung durch Hebammen während wesentlicher Phasen der Geburt, der Ausbau hebammengeleiteter Kreißsäle und die Erarbeitung eines Aktionsplanes zur Gesundheit rund um die Geburt“, so Schwartze. Es komme nun darauf an, zeitnah konkrete Verbesserungen in der Geburtshilfe umzusetzen, betonte der Patientenbeauftragte.

Das sieht der DHV ebenso: „Dass die Regierung Verbesserungen angekündigt hat, ist ein erster Schritt, doch jetzt müssen Taten folgen“, hieß es aus dem Verband.

hil

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