Arbeitsbedingungen treiben Hebammen aus dem Beruf

Berlin – Zeitmangel, personeller Notstand und fachfremde Tätigkeiten verursachen hohe Belastungen bei Hebammen. Das hat schwerwiegende Folgen, wie der Deutsche Hebammen Verband (DHV) heute anlässlich des internationalen Hebammentages kritisiert. Demnach arbeiten 70 Prozent nur noch in Teilzeit, haben dem Kreißsaal den Rücken zugekehrt oder ihren Beruf ganz aufgegeben.
Einer DHV-Umfrage unter 3.516 teilnehmenden Hebammen zufolge würden 77 Prozent (2.718 Personen) wieder oder mehr im Kreißsaal arbeiten, „wenn die Eins-zu-eins-Betreuung der Frau garantiert ist, ich nur Hebammentätigkeit ausführen muss und hebammengeleitete Geburtshilfe nicht nur leere Worte sind“ – wie es in der Umfrage heißt.
„Die Arbeitsbedingungen in der klinischen Geburtshilfe haben sich in den vergangenen 20 Jahren dramatisch verschlechtert“, sagte die DHV-Präsidentin Ulrike Geppert-Orthofer. Hebammen würden genötigt, in Stoßzeiten bis zu vier Gebärende gleichzeitig zu betreuen, doppelt so viele wie in anderen europäischen Ländern.
Dies sei „ein Skandal und einem Land wie unserem unwürdig“, sagte sie und fordert einen Paradigmenwechsel in der Geburtshilfe. „Menschwerden muss in Deutschland unter menschlichen und höchsten Standards möglich sein“, betonte sie.
Andrea Ramsell, Beirätin für den Angestelltenbereich im DHV, kritisiert strukturelle Fehlanreize. „Geburtshilfe in deutschen Kliniken lohnt sich de facto nicht. Und genau hier muss dringend ein Umdenken erfolgen. Klinische Geburtshilfe muss zu den gewinnbringenden Abteilungen eines Krankenhauses gehören und eine personalintensive Eins-zu eins-Betreuung ausdrücklich belohnt werden“, so ihre Forderung.
„Hebammen leisten einen unverzichtbaren Beitrag für eine professionelle, leitliniengerechte und vor allem emphatische Betreuung Schwangerer, junger Mütter und Neugeborener“, sagte der Patientenbeauftragte der Bundesregierung Stefan Schwartze (SPD). Es sei daher „genau richtig“, dass der Koalitionsvertrag eine Stärkung der flächendeckenden Geburtshilfe und verbesserte Arbeitsbedingungen der Hebammen vorsehe.
„Besonders hervorzuhebende Maßnahmen sind dabei die vorgesehene Einführung eines Personalschlüssels für eine Eins-zu-Eins-Betreuung durch Hebammen während wesentlicher Phasen der Geburt, der Ausbau hebammengeleiteter Kreißsäle und die Erarbeitung eines Aktionsplanes zur Gesundheit rund um die Geburt“, so Schwartze. Es komme nun darauf an, zeitnah konkrete Verbesserungen in der Geburtshilfe umzusetzen, betonte der Patientenbeauftragte.
Das sieht der DHV ebenso: „Dass die Regierung Verbesserungen angekündigt hat, ist ein erster Schritt, doch jetzt müssen Taten folgen“, hieß es aus dem Verband.
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