Arbeitsbedingungen und Arbeitsverdichtung überfordern viele Pflegekräfte

Berlin – In der Alten- und Krankenpflege breiten sich Unzufriedenheit und ein erhöhter Krankenstand aus. Das geht aus dem neuen Gesundheitsreport der Betriebskrankenkassen (BKK) hervor. In einer repräsentativen Umfrage von 6.000 Beschäftigten im Rahmen des Reports gaben mehr als 40 Prozent der Altenpflegekräfte (44,2 Prozent) genauso wie die Gesundheits- und Krankenpflegekräfte (40,4 Prozent) an, dass sie sich aktuell den Anforderungen ihrer Arbeit nur teilweise oder gar nicht gewachsen sehen. Dieser Anteil ist fast doppelt so hoch wie bei den sonstigen Berufen mit 24,6 Prozent.
Jeder vierte Beschäftigte in der Gesundheits- und Krankenpflege denkt laut der Erhebung darüber nach, in den kommenden zwei Jahren den Arbeitgeber zu wechseln. Mehr als jeder Fünfte erwägt sogar, seinen Berufen ganz aufzugeben.
Bei jeder dritten Altenpflegekraft (34,8 Prozent) und deutlich über einen Viertel (29,8 Prozent) aller Gesundheits- und Krankenpflegekräfte besteht eine eher negative Prognose, dass sie ihre Beschäftigung bis zur Rente ausüben können.
„Wir haben hier ein Potenzial für Frühberentung. Und das ist kritisch in der Zeit, wo man eh Personalmangel hat“, erklärte Holger Pfaff, Direktor des Instituts für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft der Universität zu Köln, bei der Vorstellung des Gesundheitsreportes.
Problematisch ist nach Aussagen der Befragten weniger der Pflegeberuf an sich, sondern vor allem die Gestaltung der Arbeitsbedingungen. Die überwiegende Mehrheit aller Befragten sagt zwar, dass ihre Aufgaben eine anspruchsvolle Tätigkeit und ein zukunftssicherer Beruf seien (70,5 bis 90,7 Prozent).
Andererseits ist die Mehrheit der Meinung, dass die Bezahlung in der Pflege nicht angemessen ist (66,1 Prozent) und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie in diesem Berufsfeld nicht oder nur schlecht gegeben ist (51,5 Prozent).
Beschäftigte in der Alten- und Krankenpflege weisen mit 33,2 beziehungsweise 25,7 Arbeitsunfähigkeitstagen (AU-Tagen) je Beschäftigtem deutlich höhere Fehlzeiten auf als der Durchschnitt aller Arbeitnehmer (18,2 Arbeitsunfähigkeitstage je Beschäftigten).
Diese Differenz ist in den letzten beiden Coronapandemiejahren sogar noch größer geworden. Vor allem weisen Pflegekräfte überdurchschnittlich viele Fehltage aufgrund von Muskel-Skelett-Erkrankungen und psychischen Störungen auf.
Eine wesentliche Maßnahme, die Verhältnisse in der Pflege zu verbessern, sei das Berufsbild von professionell Pflegenden aufzuwerten, fordert Bernadette Klapper, Bundesgeschäftsführerin des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe.
Wichtig sei, „konsequent zu nutzen, was uns das Pflegeberufegesetz ermöglicht, nämlich auch den Berufszugang über primär qualifizierende Hochschulstudiengänge, sprich den Bachelor in Pflege, als Grundlage für Spezialisierungen auf Masterebene verstärkt anzubieten und zu sichern“, sagte sie.
Ein grundsätzliches Umdenken bei der Alten- und Krankenpflege forderte Franz Knieps, Vorstandsvorsitzender des BKK Dachverbands. Seine Forderung: weniger stationäre Aufenthalte, mehr ambulante Pflege.
„Die heutigen Pflegegrade müssen viel flexibler nach dem individuellen Bedarf gestaltet sein“, sagte er. Es gibt laut seiner Aussage in Deutschland genügend Ärzte und auch genügend Pflegende. „Aber wir verteilen diese personellen Ressourcen falsch. Wir haben zu viele Krankenhäuser, wir machen zu viel stationär, was auch ambulant erledigt werden könnte“, sagte er.
Der BKK-Gesundheitsreport 2022 umfasst 480 Seiten. Herausgeber sind der BKK-Dachverband und das Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft (IMVR) der Universität zu Köln.
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