Politik

Arzneimittelgesetz: Preise neuer Arzneimittel bleiben öffentlich zugänglich

  • Dienstag, 7. März 2017
Uploaded: 12.02.2013 13:49:48 by mis
dpa

Berlin – Im Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AMVSG) war ursprünglich die Geheimhaltung der Preise neuer Arzneimittel sowie die Einführung einer Umsatz­schwelle für teure neue Medikamente vorgesehen. Kurz vor der Beratung des AMVSG morgen im Gesundheitsausschuss sowie der vorgesehenen Verabschiedung des Gesetzes am kommenden Donnerstag im Bundestag wurden diese beiden Regelungen nun jedoch wieder aus dem Gesetzentwurf gestrichen. Das geht aus Änderungsanträ­gen vor, die dem Deutschen Ärzteblatt vorliegen.

Eigentlich schien das AMVSG bereits im vergangenen Oktober konsentiert, als das Bundeskabinett den Gesetzentwurf verabschiedet hatte. Da sich die SPD in den folgenden Monaten jedoch gegen eine Geheimhaltung der Preise und die geplante Umsatzschwelle aussprach, verzögerte sich die eigentlich für Mitte Februar vorgesehe­ne Verabschiedung des Gesetzes. Mit diesen Forderungen hat sich die SPD nun durch­gesetzt.

Die von der Pharmaindustrie lange geforderte Geheimhaltung der Preise neu auf den Markt gekommener Arzneimittel wird doch nicht kommen, ebenso wenig wie die Umsatzschwelle. Diese sollte für neue Arzneimittel gelten, die im ersten Jahr nach Markt­einführung mehr als 250 Millionen Euro Umsatz machen. Geplant war, dass die Krankenkassen ab dem Erreichen dieser Schwelle nicht mehr den vom Hersteller selbst gewählten Preis zahlen sollten, sondern den niedrigeren, von Krankenkassen und Her­steller ausgehandelten Preis.

Zwei zentrale Regelungen aus Pharmadialog gestrichen

Der SPD ging das nicht weit genug. Sie forderte, dass der ausgehandelte Betrag rück­wirkend ab der Markteinführung gelten müsse. Mit dieser Forderung setzte sich die Partei jedoch nicht durch. Denn nun wird im ersten Jahr nach dem Markteintritt wie bisher der Preis gelten, den der Hersteller frei gewählt hat.

Durch den ausgehandelten Kompromiss streichen Union und SPD zwei der zentralen Regelungen des sogenannten Pharmadialogs, bei dem sich im Laufe der aktuellen Legislaturperiode unter anderem Vertreter des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) mit Vertretern der Pharmaindustrie über die Arzneimittelpolitik und den Pharmastandort Deutschland ausgetauscht haben. 

Kritik und Lob an Neuregelungen

Die Änderungen am Gesetzentwurf wurden von Pharmaindustrie und Krankenkassen unterschiedlich aufgenommen. Das geplante Arzneimittelgesetz gehe vielen Problemen bewusst aus dem Weg, kritisierte die Hauptgeschäftsführerin des Verbandes Forschen­der Arzneimittelhersteller (vfa), Birgit Fischer. Damit werde es das erste Opfer des Wahl­kampfes. „Die Industrie hat die Kraft zur Innovationsfähigkeit der Koalition höher einge­schätzt“, meinte Fischer. „So sind die guten Ergebnisse des Pharmadialogs, die Politik, Gewerkschaft und Industrie erzielt haben, im AMVSG nicht angekommen.“ Dennoch stehe die Industrie dazu, den Dialog mit der Politik fortzuführen.

Der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Martin Litsch, kritisierte, dass das Gesetz weiter keine Lösung für das Problem der Mondpreise parat halte. Als „sinn­voll und notwendig“ bezeichnete er es hingegen, dass die Preise neuer Arzneimittel weiterhin öffentlich zugänglich sein würden. Er verwies dabei auf ein organisatorisches Problem, das sich bei der Geheimhaltung der Preise gestellt hätte.

Denn viele Akteure innerhalb des Gesundheitssystems müssten mit den realen, also den rabat­tierten Prei­sen der Arzneimittel arbeiten. Wie dies bei einem geheimen Preis hätte möglich sein sollen, war auch im Kabinettsentwurf unklar geblieben. „Die Frage, wie sich geheime Preise umsetzen lassen, wenn zahlreiche Stellen im Gesundheits­wesen sie kennen müssen, ist praktisch nicht vernünftig zu lösen“, meinte Litsch.

Praxissoftware: BMG darf detailliertere Vorgaben machen

Darüber hinaus haben sich die Koalitionspartner auf verschiedene weitere Änderungen verständigt, die insbesondere das Verfahren gemäß Arzneimittelmarktneuord­nungs­gesetz (AMNOG) betreffen. Dabei haben sie auch eine Regelung konkretisiert, die die Ärzte künftig in ihrer täglichen Arbeit betreffen wird. Im AMVSG ist geplant, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) künftig seine Beschlüsse für die Nutzenbewer­tung neuer Arzneimittel so aufbereiten soll, dass sie in der Praxissoftware abgebildet werden können. Dadurch erhofft sich die Regierung, dass künftig weniger neue Arz­neimittel verordnet werden, denen der G-BA keinen Zusatznutzen zuerkannt hat. Wel­che Informationen allerdings genau in der Praxissoftware abgebildet werden sollen, soll das Bundesgesundheitsministerium erst in einer Rechtsverordnung regeln.

In dieser Rechtsverordnung soll das BMG nun auch „Vorgaben zur Abbildung der für die vertragsärztliche Versorgung geltenden Regelungen zur Zweckmäßigkeit und Wirt­schaft­lichkeit der Verordnung von Arzneimitteln im Vergleich zu anderen Therapie­möglichkeiten machen“, heißt es in einem Änderungsantrag zum AMVSG. „Es kann auch Vorgaben zu semantischen und technischen Voraussetzungen zur Interoperabilität machen.“

Leitlinien können in Hinweise zum Zusatznutzen integriert werden

Der Selbstverwaltung sei es in der Vergangenheit häufig nicht oder nur unzureichend gelungen, die gesetzlichen Vorgaben sämtlich und in angemessener Zeit in die Vor­gaben für die Zertifizierung der Praxissoftwareprogramme zu übernehmen, heißt es weiter in der Gesetzesbegründung. Insofern erhalte das BMG nun die Möglichkeit, künf­tig konkrete Vorgaben zu machen, um sicherzustellen, dass die bei der Verordnung von Arzneimitteln geltenden Vorschriften in den Praxisverwaltungsprogrammen abgebildet werden.

Zudem könne das BMG Vorgaben für eine Datenschnittstelle machen, die dafür genutzt werden können, „weitere, fachgruppenspezifische Informationen zur Arzneimittel­thera­pie in die Softwareprogramme zu integrieren“. Dies könnten zum Beispiel Informationen aus Leitlinien sein.

fos

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