Astrazeneca-Impfstopp: Österreich plädiert für gesamteuropäisches Vorgehen

Wien – Österreich sieht die nationalen Entscheidungen zum vorsorglichen Impfstopp mit Astrazeneca kritisch. Nötig sei vielmehr eine „raschestmögliche, klare Stellungnahme von den Europäischen Behörden für ein gemeinsames gesamteuropäisches Vorgehen“, sagte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) gestern Abend in Wien.
„Wir haben uns bei den Impfungen auf ein gemeinsames europäisches Vorgehen geeinigt. Nationale Einzelgänge sind in diesem Zusammenhang weder effektiv noch vertrauensbildend“, so Anschober.
Derart weitreichende Entscheidungen müssten durch fundierte Daten und Fakten eindeutig belegt sein. Derzeit gebe es keinen Beweis für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Impfstoff von Astrazeneca und den aktuell diskutierten gesundheitlichen Ereignissen, die auch bei ungeimpften Personen auftreten könnten.
Deutschland sowie Frankreich, Italien, Spanien, Slowenien, Portugal und Lettland hatten gestern verkündet, den Einsatz des Astrazeneca-Vakzins wegen der Berichte über schwere Blutgerinnsel der Hirnvene in zeitlichem Zusammenhang mit einer Impfung auszusetzen. Zuvor hatten schon mehrere andere europäische Länder diese Maßnahme ergriffen.
Auch Schweden hat mittlerweile den Einsatz des Coronaimpfstoffs von Astrazeneca ausgesetzt. Diese Vorsichtsmaßnahme sei eine Reaktion auf Berichte über mutmaßliche Nebenwirkungen des Mittels, teilte die Behörde für öffentliche Gesundheit (FHM) heute in Stockholm mit. Sie gelte, bis die EU-Arzneimittelbehörde (EMA) ihre Untersuchungen zu möglichen Nebenwirkungen des Vakzins abgeschlossen habe.
Die EMA hatte gestern vorerst an ihrer Bewertung des Coronaipfstoffes von Astrazeneca festgehalten. Bisher gebe es keine Hinweise darauf, dass das Mittel ein ernstes Gesundheitsrisiko darstelle, hieß es. Für übermorgen plant die EU-Behörde eine Sondersitzung zum Astrazeneca-Vakzin. Das Beratergremium der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Impfstoffsicherheit setzte für heute Beratungen an.
Das Aussetzen von Impfungen mit dem Produkt von Astrazeneca in verschiedenen Ländern ist aus Sicht der WHO noch kein Alarmzeichen. Die Vorfälle seien nicht notwendigerweise auf das Impfen zurückzuführen, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus gestern in Genf. „Es ist eine Routinepraxis, das zu untersuchen.“ Außerdem zeige es, dass das Überwachungssystem funktioniere und wirksame Kontrollen stattfänden, so der WHO-Chef.
Der britische Premierminister Boris Johnson bezeichnete das in seinem Land schon millionenfach verwendete Coronavakzin als „sicher“. „Dieser Impfstoff ist sicher und wirkt extrem gut“, schrieb Johnson in einem heute veröffentlichten Beitrag für die Times. Er verwies auch auf die strengen Zulassungsverfahren der britischen Arzneimittelbehörde MHRA. Diese sehe keinerlei Anlass dafür, die Impfungen mit Astrazeneca auszusetzen, sagte der britische Premierminister am Montag zu Journalisten.
Der Coronaimpfstoff wurde von Astrazeneca in Zusammenarbeit mit der Universität Oxford entwickelt. In Großbritannien wurden inzwischen mehr als elf Millionen Dosen des Vakzins verabreicht, Berichte über schwere Nebenwirkungen liegen bislang nicht vor.
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