Ausbau der Intensivbettenreserve gestaltet sich schwierig

Heidelberg – Die Forderung der Politik nach Schaffung weiterer Intensivkapazitäten zur Behandlung von COVID-19-Patienten stehen Gesundheitsexperten skeptisch gegenüber. Sie halten die bisherigen Werkzeuge für wenig zielfordernd und fürchten, dass sich die prekäre Situation auf den Intensivstationen auch durch die Verschiebung geplanter Operationen nicht lösen lassen wird.
So wies Reinhard Busse, Leiter des Fachgebiets Management im Gesundheitswesen der Technischen Universität (TU) Berlin, auf das Paradox hin, dass Krankenhäuser einerseits so überlastet wie nie seien, auf der anderen Seite aber jedes dritte Bett leer stehe. „Denn nur rund 450 Krankenhäuser verfügen über die notwendige intensivmedizinische Erfahrung zur Behandlung von COVID-19-Patienten.“
Die rund 1.000 weiteren, kleineren Akutkrankenhäuser seien überdurchschnittlich leer, bänden zugleich aber Personal, dass in den anderen Kliniken bei der Coronaversorgung fehle. „Erneute Maßnahmen zur Sicherung von genügend Intensivbehandlungskapazität sollten sich also an dem Ziel orientieren, dass Intensivkapazitäten in den 450 genannten Krankenhäusern auch wirklich zur Verfügung stehen, also mit Personal ausgestattet sind“, mahnte Busse als Mitglied des Fachbeirates des Bundesgesundheitsministeriums (BMG).
Auch Max Geraedts, Direktor des Instituts für Versorgungsforschung und Klinische Epidemiologie der Philipps-Universität Marburg, hält eine Aktivierung der Intensivbettennotfallreserve für schwer umsetzbar.
„Zusätzliche Intensivkapazitäten, insbesondere das zusätzliche, qualifizierte Personal, erfordern auf der einen Seite das Aussetzen aller elektiven Eingriffe und sehr hohe Prämien an alle diejenigen, die entweder frustriert aufgegeben oder aber ihre Stellen reduziert haben“, unterstrich er. Gleichzeitig müsse denjenigen, die trotz der unfassbaren Belastung geblieben sind, eine Aufstockung ihres Gehaltes in gleicher Form gewährt werden.
Der Chefarzt Manuel Wenk von der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin im Düsseldorfer Florence-Nightingale-Krankenhaus hält den Ausbau der Intensivkapazitäten durch Schaffung neuer Betten bei gleicher Versorgungsqualität für „schlichtweg unmöglich“.
„Das dafür notwendige Personal existiert nicht“, sagte Wenk. Zugleich kritisierte er, dass die Politik mit ständig neuen Beschlüssen, Verordnungen und Diskussionen bei „offensichtlich mangelnder Kenntnis der Situation in den Krankenhäusern“ für Unruhe sorge.
Dass allein durch das Absetzen von elektiven Operationen ausreichend Intensivbetten-Kapazitäten geschaffen werden können, sei ein Irrglaube: „Ein großer Teil der Intensivpatienten sind tatsächlich nicht-operative Patienten, deren Behandlung sind nicht verschieben lässt“, so Wenk.
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