Politik

Bedarfsplanung stärker an regionaler Krankheitslast ausrichten

  • Montag, 18. September 2017

Berlin – Die AOK Nordost hat vorgeschlagen, die Bedarfsplanung künftig auch am Deutschen Index Multiple Deprivation zu orientieren. Dieser für Deutschland vom Institut für Gesundheitsökonomie und Management im Gesundheitswesen am Helmholtz Zentrum München erarbeitete Index bildet die soziale Ausgrenzung anhand verschiedener Indikatoren wie den Einkünften, dem Anteil an Arbeitslosen oder dem Anteil von Menschen ohne Berufsausbildung in einer Region ab. Denn je höher die soziale Benachteiligung der Menschen sei, so die AOK Nordost, desto häufiger litten sie unter chronischen Erkrankungen.

Die in den Bundesländern Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern aktive Krankenkasse hat anhand der Daten ihrer Versicherten in einem Projekt untersucht, wie sich die Bedarfsplanung in Deutschland künftig stärker am Behandlungsbedarf der Bevölkerung orientieren könnte. „Der demografische Wandel verläuft regional sehr unterschiedlich und auch die Erkrankungslast ist in den Regionen sehr heterogen. Die Verhältniszahl unterstellt jedoch einen gleichen Versorgungsbedarf in den Regionen“, erklärte Boris Kauhl von der AOK Nordost auf einer Konferenz des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) vergangene Woche in Berlin.

Chronische Erkrankung ist besserer Indikator

Das Projekt fußt auf der Annahme, dass die Inanspruchnahme medizinischer Leistungen durch chronisch Kranke ein verlässlicherer Indikator für die Bedarfsplanung sei als beispielsweise die Zahl der Patient-Arzt-Kontakte. So wurden für die Untersuchung fünf Volkskrankheiten ausgewählt und deren regionale Verteilung untersucht: Typ-2-Diabetes, Hypertonie, koronare Herzkrankheit (KHK), Depression und chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD). 54 Prozent der AOK-Nordost-Versicherten seien von einer oder mehrerer dieser Erkrankungen betroffen, sagte Kauhl.

„Für chronische Erkrankungen ist die soziale Benachteiligung eines Gebietes entscheidend: Je benachteiligter eine Region ist, desto höher ist die Prävalenz chronischer Erkrankungen – unabhängig von individuellen Merkmalen des Versicherten wie Einkommen oder Bildung“, fuhr Kauhl fort. Dabei seien Diabetes mellitus Typ 2, Hypertonie und KHK regional ähnlich verteilt. In Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Berlin befänden sich die höchsten Prävalenzen im Berliner Speckgürtel und in den Landkreisen Elbe-Elster, Prignitz und Uckermark. Depressionen würden hingegen vor allem in Berlin diagnostiziert. Und die höchsten Prävalenzen für COPD befänden sich in West-Berlin und im Berliner Speckgürtel.

Prävalenz großer Volkskrankheiten relativ gut prognostizierbar

„Die großen Volkskrankheiten sind hinsichtlich ihrer regionalen Verteilung und Risikofaktoren ähnlich“, resümierte Kauhl. Und ihre Prävalenz in den Regionen sei relativ gut prognostizierbar. „Eine statistische Verhältniszahl wird den in Zukunft zu erwartenden Bedarf allerdings nicht unbedingt widerspiegeln“, so Kauhl. Denn mit steigendem Durchschnittsalter der Bevölkerung werde vor allem in den sozial benachteiligten Regionen mit einer höheren Erkrankungslast zu rechnen sein. Deshalb sei der Deutsche Index Multiple Deprivation ein wichtiges Instrument für die Bedarfsplanung.

Auf Nachfrage erklärte Kauhl, dass die Patient-Arzt-Kontakte in Brandenburg die regionale Krankheitslast einigermaßen widerspiegelten – in Mecklenburg-Vorpommern allerdings überhaupt nicht. „Wir können uns zurzeit noch nicht erklären, woran das liegt“, sagte er.

Für das Projekt, das zusammen mit der Beuth Hochschule für Technik Berlin durchgeführt wurde, erhielt die AOK Nordost vom Zi den Wissenschaftspreis „Regionalisierte Versorgungsforschung“ für überdurchschnittlich gute Arbeiten auf diesem Gebiet.

fos

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