Behinderung und chronische Erkrankungen häufige Merkmale für Diskriminierung

Berlin – Menschen mit Behinderung wenden sich häufig wegen Diskriminierung an die Behörden. Das zeigt der neue Jahresbericht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes für das Jahr 2021, der heute in Berlin vorgelegt worden ist.
Demnach wurden im vergangenen Jahr 5.617 Fälle an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes gemeldet, die mit einem vom Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geschützten Diskriminierungsmerkmal zusammenhingen.
Davon bezogen sich 32 Prozent das Merkmal Behinderung und chronische Krankheiten. Noch häufiger wurden Meldungen aufgrund von rassistischer Diskriminierung gemacht.
Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts machten 20 Prozent der Anfragen aus, aufgrund des Alters zehn Prozent. Neun Prozent bezogen sich auf den Merkmalsbereich Religion und Weltanschauung und vier Prozent auf die sexuelle Identität.
Die meisten Diskriminierungserfahrungen wurden im Arbeitsleben (28 Prozent) und beim Zugang zu privaten Dienstleistungen gemeldet (33 Prozent). In 37 Prozent der Fälle hat sich die Diskriminierung allerdings in einem Lebensbereich abgespielt, der nicht oder nur teilweise vom AGG geschützt ist.
Der größte Anteil davon betrifft Benachteiligungen durch Ämter, Polizei oder Justiz. Aber auch im Bildungsbereich, in den sozialen Medien oder im öffentlichen Raum wurden regelmäßig Benachteiligungen, diskriminierende Beleidigungen bis hin zu Gewalt erlebt und geschildert.
Mehr als 2.000 Anfragen hat das Beratungsteam erhalten, in denen Bezug auf ein Merkmal genommen wurde, das vom Diskriminierungsschutz im AGG nicht erfasst wird. Rechnet man diese zu den Fällen mit AGG-Merkmalsbezug hinzu, erhöht sich die Gesamtzahl der Anfragen auf 7.750 – und liegt damit auf ähnlichem Niveau wie 2020 (7.932 Anfragen) und deutlich über dem der Vorjahre (2018: 4.220; 2019: 4.247 Anfragen).
„Die Zahl der uns geschilderten Diskriminierungsfälle ist alarmierend. Sie zeigt aber auch, dass sich immer mehr Menschen nicht mit Diskriminierung abfinden und Hilfe suchen“, sagte die Beauftragte des Bundes für Antidiskriminierung, Ferda Ataman.
Ataman appellierte an alle Menschen, die Diskriminierung erleben, dagegen vorzugehen – wenn nötig vor Gericht. An die Bundesregierung richtete sie die Forderung, Betroffenen bessere Möglichkeiten zu geben, ihre Rechte durchzusetzen – etwa durch eine Verlängerung der Fristen und durch ein Verbandsklagerecht.
„Das deutsche Antidiskriminierungsrecht muss endlich internationalen Standards entsprechen. Bisher schützt es nicht wirkungsvoll vor Diskriminierung. Die von der Koalition angekündigte AGG-Reform muss umfassend und zeitnah kommen“, sagte Ataman.
Die Bundesbeauftragte will unter anderem ein flächendeckendes Beratungsangebot gegen Diskriminierung schaffen. Dazu soll ein Förderprogramm mit den Ländern und der Zivilgesellschaft aufgebaut werden.
Der Sozialverband VdK forderte eine gesetzliche Stärkung von Atamans Stelle. Die Betroffenen müssten leichter zu ihrem Recht kommen, erklärte VdK-Präsidentin Verena Bentele. „Dazu braucht es nicht immer ein Gericht.“ Eine Möglichkeit dafür sei die Schaffung eines verpflichtenden vorgeschalteten Schlichtungsverfahrens.
Ataman war Anfang Juli in ihr Amt gewählt worden. Sie ist nicht unumstritten: Ihr wird unter anderem vorgeworfen, sich abfällig über Menschen ohne Migrationshintergrund geäußert zu haben.
Ziel des AGG ist es, Diskriminierung aus rassistischen Gründen oder wegen ethnischer Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen. Die Antidiskriminungsstelle berät rechtlich, kann Stellungnahmen einholen und gütliche Einigungen vermitteln.
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