Behörde sieht Sicherheitslücken bei mobilem Authentifizierungsverfahren für elektronische Patientenakte

Berlin – Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) betrachtet derzeit für Smartphones vorgesehene Authentifizierungsverfahren für die elektronische Patientenakte (ePA) als „neuralgischen Punkt für die gesamte nachfolgende Sicherheitskette“. Das geht aus einem Schreiben der Bundesbehörde an das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hervor, das dem Deutschen Ärzteblatt (DÄ) vorliegt.
Die Experten äußern sich in dem Schreiben zu sogenannten Schlüsselgenerierungsdiensten (SGD) sowie alternativen Versichertenidentitäten (al.vi) in der Telematikinfrastruktur (TI). Würde das Authentifizierungsverfahren SGD überwunden, könne „sowohl auf die kryptografischen Mittel als auch die die Inhalte der Akte zugegriffen werden“, warnt das BSI in dem Brief ans BMG. In Bezug auf al.vi stellt das BSI fest, dass die „starke Authentifizierung der eGK“ dabei nicht mehr vorgesehen sei. „Die Gesamtsicherheit des Systems wird hierdurch deutlich verringert“, schreibt das BSI.
Im Ergebnis würden Sicherheitsleistungen der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) mit entsprechend großen Freiheitsgraden in die Implementierungsverantwortung der Hersteller verlagert. Auch werde die „exklusive Datenhoheit des Versicherten auf seine medizinischen Daten aufgelöst“. Die Behörde ruft das Ministerium dazu auf, „alle bekanntgewordenen Mängel“ zu beheben.
Ein BSI-Sprecher erklärte dem DÄ zugleich, dass die Behörde eine SGD-Freigabe unter bestimmten Voraussetzungen erteilt habe. Ziel sei es, „ein dem Schutzniveau der Patientendaten angemessenes Authentifizierungsverfahren zu implementieren, damit die elektronische Patientenakte mit SGD hinreichend sicher betrieben werden kann. Dieses Ziel ist aus Sicht des BSI nicht gefährdet“, erklärte der BSI-Sprecher.
Datenschützer sehen juristisches Problem
Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit sieht in Bezug auf den SGD die gleichen Probleme wie das BSI, wie ein Schreiben an die gematik – Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte, das dem DÄ ebenfalls vorliegt, zeigt. Zu al.vi will sich der Datenschützer dem Schreiben zufolge später äußern.
Darüber hinaus macht der Datenschützer ein juristisches Problem aus. So könne mit dem neuen Verschlüsselungskonzept ohne eine rechtliche Klarstellung die Möglichkeit eröffnet werden, im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen ohne Wissen des Betroffenen Gesundheitsdaten zu erheben, da sich die elektronische Patientenakte nicht im Gewahrsam des zeugnisverweigerungsberechtigten Arztes befinde.
Wie ein Ministeriumssprecher dem DÄ sagte, habe die Sicherheit der Telematikinfrastruktur (TI) für das Gesundheitsministerium „oberste Priorität“. Deshalb fände regelmäßig ein enger Austausch zwischen dem BSI, der gematik und dem BMG statt. Das Schreiben des BMG habe zur Vorbereitung auf Entscheidungen der gematik zur Freigabe der Spezifikationen für zusätzliche Funktionen der elektronischen Patientenakte gedient, so der Sprecher.
Im Kern gehe es dabei um das geplante alternative Authentifizierungsverfahren „al.vi“. Über dieses sollen Versicherte dem BMG zufolge auf eigenen Wunsch die Möglichkeit erhalten, ohne elektronische Gesundheitskarte mittels Smartphone auf die elektronische Patientenakte zugreifen zu können. Die eGK und der Arztausweis fallen in dieser Variante als Ver- und Entschlüsselungsstufe weg.
„Das BSI weist in seinem Schreiben zurecht darauf hin, dass bei diesem alternativen Authentifizierungsverfahren al.vi der Sicherheitsanker der elektronischen Gesundheitskarte entfällt“, heißt es vom Ministerium. Den Versicherten, die über das Smartphone auf ihre ePA zugreifen wollten, trügen bei der Nutung von al.vi eine „erhöhte Verantwortung“. Entsprechend der Regelungen im Terminservice- und Versorgungsgesetz müssten die Versicherten in diesem Fall umfassend durch die Krankenkasse aufgeklärt werden und explizit der Nutzung des alternativen Authentifizierungsverfahrens zustimmen, erläuterte der BMG-Sprecher.
Es gelte aber „prinzipiell“, dass Versicherte, die mittels mobiler Geräte auf medizinische Daten zugreifen wollten, eine besondere Verantwortung tragen würden und elementare Sicherheitshinweise beachten müssten. Eine Orientierung dafür böten beispielsweise die Hinweise des BSI für Bürger.
Der Sprecher des Ministeriums wies zugleich aber darauf hin, dass die Nutzung der ePA für alle Versicherten freiwillig ist und dass Versicherte neben „al.vi“ drei weitere Möglichkeiten erhalten sollen, um auf die elektronische Patientenakte (ePA) zugreifen zu können. So ist die Nutzung der ePA nur beim Arzt mittels eGK möglich. Darüber hinaus soll es einen Zugriff am heimischen PC oder Smartphone mittels eGK und Lesegerät geben. Zudem ist vorgesehen, dass es einen Zugriff am Smartphone mittels eGK über die NFC-Schnittstelle gibt.
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