Berlin startet Bundesratsinitiative zur Eindämmung von Leiharbeit in der Pflege

Berlin – Die Leiharbeit in der Pflege im Krankenhaus und in Pflegeeinrichtungen sollte in ganz Deutschland weitgehend eingeschränkt werden. Bundesweit sollte ein Familienpflegegeld eingeführt werden. Für beide Anliegen wird es eine Bundesratsinitiative geben. Das beschloss der Berliner Senat heute.
Ziel der Senatsvorlage aus Berlin für eine Einschränkung der Leiharbeit in der Pflege ist es, sowohl Vergütung als auch Arbeitsbedingungen in der Pflege attraktiver zu machen. Hintergrund seien steigende Anteile von Zeitarbeitskräften in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, führte der Senat aus. Zunehmend würden sich Pflegekräfte für einen Wechsel von der Festanstellung in die Zeitarbeit entscheiden.
Der Grund: Im Gegensatz zu anderen Branchen fänden Fachkräfte dort häufig bessere Arbeitsbedingungen vor. Sie würden besser bezahlt und könnten sich ihre Arbeitszeiten weitgehend selbst aussuchen. Allerdings gehe dies zulasten der festangestellten Pflegekräfte und zulasten der auf Pflege angewiesenen Menschen.
„Wir beobachten, dass sich Leiharbeit zu einem eigenen Sektor in der Pflege entwickelt. Das gibt Anlass zur Sorge“, sagte Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) heute. Durch Leiharbeit seien Patientensicherheit, Pflegequalität und Versorgungssicherheit gefährdet und die Belastung für die festangestellten Pflegekräfte steige. Kalayci betonte, in der Pflege brauche es verlässliche Teamarbeit und feste Bezugspersonen.
Das Land Berlin macht sich darüber hinaus für ein Familienpflegegeld ähnlich dem Elterngeld stark. Ziel sei es, pflegende Angehörige finanziell zu entlasten, sagte Kalayci nach dem Senatsbeschluss heute. Demnach sollen Menschen, die Familienmitglieder oder auch Bekannte pflegen, für bis zu 36 Monate von ihrer Arbeitsstelle freigestellt werden können.
Dafür sollen sie ein Familienpflegegeld in Höhe von 65 Prozent des entgangenen Nettogehalts bekommen. Gelten soll der Rechtsanspruch auf Freistellung – so der Vorschlag – ab einer Betriebsgröße von fünf Mitarbeitern. Die Betroffenen hätten nach der häuslichen Pflegezeit ein Rückkehrrecht in die Firma.
Ob der Vorstoß eine Chance auf eine Mehrheit hat, ist offen. Sollte die Länderkammer einen Gesetzentwurf beschließen, wäre dann der Bundestag am Zug. Die Kosten, die der Bund tragen soll, schätzte Kalayci auf etwa eine Milliarde Euro jährlich.
Für den Vorstoß, die Leiharbeit für Pflegekräfte einzuschränken, gabe es heute Rückendeckung von Krankenhaus- und Pflegeverbänden. „Die Gründe, die zur Einführung der Zeitarbeit in Deutschland geführt haben, liegen heute in der Pflege nicht mehr vor“, sagte Thomas Meißner, Vorstandsmitglied des Berliner AnbieterVerbandes qualitätsorientierter Gesundheitspflegeeinrichtungen (AVG).
Es gehe nicht um die Abschaffung der Zeitarbeit in Deutschland, sondern um die Nachjustierung der Zeitarbeit in der besonderen Situation der Pflege. „An dieser Stelle muss Zeitarbeit neu geregelt werden. Sie hat Dimensionen erreicht, die dringend einer Lösung bedürfen und keinerlei Abwarten mehr dulden“, so Meißner.
„Ein hoher und rasant zunehmender Prozentsatz an Pflegenden in Krankenhäusern ist teilweise oder auch vollständig in Leiharbeit beschäftigt. Mit der steigenden Leiharbeit gehen immer häufiger auch negative Effekte für Krankenhäuser und schließlich auch Patienten einher“, sagte Brit Ismer, Vorstandsvorsitzende der Berliner Krankenhausgesellschaft (BKG).
Für die Arbeit benötige man verlässliche, gut eingearbeitete und aufeinander abgestimmte Teams. Häufiger personeller Wechsel und mangelnde Kenntnisse der Abläufe vor Ort könnten dazu führen, dass Qualitätsstandards nicht eingehalten werden. So könne die Patientensicherheit beeinträchtigt werden. „Daher ist es richtig, in der Pflege auf Leiharbeit zu verzichten“, sagte Ismer.
Die Zeitarbeit ist ein Zeichen für die Krise in der Pflege, erklärte der Deutsche Pflegerat. Sie habe ihren Ursprung in den unzureichenden Arbeitsbedingungen, im Personalmangel und in schlechten Personalschlüsseln, erklärte Pflegeratspräsident Franz Wagner. Er glaubt aber nicht, dass ein Verbot der Zeitarbeit allein die Probleme lösen kann.
„Maßnahmen gegen die Zeitarbeit müssen mit Maßnahmen für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege einhergehen.“ Benötigt werde ein deutliches Signal für mehr Mitarbeiter. Wagner verwies auf Regelungen für die Krankenhäuser, wo alle weiteren zusätzlichen Stellen in der Pflege voll refinanziert würden. In der Verantwortung stünden neben den Arbeitgebern und dem Gesetzgeber auch die Kostenträger.
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