Vermittlungsagentur wehrt sich gegen Leasingverbot für Pflegekräfte

Berlin – Eine der größten deutschen Leiharbeitsplattformen für Pflegekräfte, InSitu, will eine Preisobergrenze für vermittelte Pflegekräfte einführen. Das teilte das Unternehmen kürzlich mit. Es ist die erste Reaktion der Branche auf den Vorschlag der Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD), die Leasingkräftevermittlung in der Pflege zu verbieten.
Mehr Lohn, flexible Arbeitszeiten, kein Schichtdienst – immer mehr Pflegekräfte werden mit diesen Versprechen von Zeitarbeitsfirmen aus Krankenhäusern abgeworben. Das haben sowohl die Politik als auch die Wirtschaft erkannt. Doch ein Verbot, das mehr Pflegende in die Krankenhäuser zurückholen soll, würde Pflege-Zeitarbeitsvermittlern die Arbeit unmöglich machen.
„Ein Leasingverbot wird die Pflegenden nicht alle in die Stammbelegschaft zurückbringen“, sagte Alexander Muschalle, Gründer und Geschäftsführer von InSitu, im Gespräch mit dem Deutschen Ärzteblatt. Viele hätten den Stationsalltag aufgrund der schlechten Arbeitsbedingungen verlassen und die Zeitarbeit sei ihre „letzte Station“ im Pflegeberuf. Er bezog sich dabei auf Mitarbeiterumfragen, die ihm vorliegen würden.
Auf ihrer Plattform vermittelt InSitu Leasingkräfte, die bei kooperierenden Zeitarbeitsunternehmen angestellt sind, an Krankenhäuser und Pflegeheime in Personalnot. Die Löhne könne man als Vermittler nicht direkt bestimmen, sagte Muschalle. Seine Firma will daher dieses Jahr die akzeptierten Preise für vermittelte Pflege-Zeitarbeits-Angebote um etwa vier Prozent pro Quartal herabsetzen. In einem kurzen Rechenbeispiel sprach er von einer geschätzten Lohnreduktion von einem Euro pro Stunde.
„Zeitarbeit kann die Personalplanung sinnvoll ergänzen, muss aber weiterhin als Ausfallkonzept betrachtet werden und nicht als Ersatz für Planstellen zulasten des Stammpersonals“, sagte Muschalle. Daher wolle man bei InSitu den monetären Anreiz, in die Zeitarbeit zu wechseln, reduzieren und die „in Teilen überhöhten Preise für Leiharbeit“ auf ein „wirtschaftliches und sozial verträgliches Maß“ herabsetzen.
Leasingarbeit sei aktuell Dauerzustand auf vielen Stationen in Ballungsgebieten, meinte der Unternehmer. Das zeigten auch Zahlen des Krankenhaus-Barometers für 2018 der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Demnach setzt jedes zweite Krankenhaus auf Allgemeinstationen Leiharbeitskräfte ein. In mehr als 40 Prozent der Krankenhäuser kamen Zeitarbeiter auf Intensivstationen zum Einsatz.
Die Personalanforderungen seien schwer planbar und die Patienten auf der anderen Seite hätten häufig keine Wahlfreiheit über den Behandlungsort. Beides führe, aus Muschalles Sicht, zu einer Marktverzerrung. „Krankenhäuser und Pflegeheime sind nicht Teil des freien Marktes“, erklärte er.
Arbeitsbedingungen verschlechtern sich
Der Geschäftsführer von InSitu hofft, mit seiner Strategie einen Marktdruck erzeugen zu können, sodass sich mittelfristig die Löhne in der Zeitarbeit knapp über dem Tarifniveau des Stammpersonals (TVöD-P) einpendeln. Dass die Flexibilität von Zeitarbeit grundsätzlich etwas höher bezahlt werden müsste als die Zuverlässigkeit des Stammpersonals im Schichtdienst, sei für Muschalle klar.
Künftig wolle man nur noch Pflegekräfte vermitteln, die unterhalb der von InSitu festgelegten Preisdeckelung angeboten werden, so Muschalle weiter. Dadurch rechne er zunächst mit einem Rückgang der Angebote seiner Kooperationspartner, aber das gehöre zum Risiko. Zum Jahresende wolle man Bilanz ziehen.
Daran, dass sich die Arbeitsbedingungen des Stammpersonals aktuell bereits im Verhältnis zum Zeitarbeitspersonal dramatisch verschlechtern – auch durch die Abwanderung zu Leasingfirmen – könne sein Unternehmen nichts ändern. Hierfür benötige es einer Verbesserung der Rahmenbedingungen seitens der Politik, sagte Muschalle. Er betonte, dass das Vorgehen aus seiner Sicht „das mildeste Mittel“ sei, mit der Marktsituation umzugehen.
Pflegemanagement befürwortet die Preisbegrenzung
Auch aus Sicht der Landesgruppe Berlin-Brandenburg des Bundesverbands Pflegemanagement steigen die Angebotspreise derzeit überproportional an. Krankenhäuser seien gezwungen ihren Versorgungsauftrag in Zeiten von gesetzlichen Personaluntergrenzen zu erfüllen, teilte der Verband mit.
Zeitarbeitsfirmen würden Pflegekräfte „mit teilweise unmoralischen Angeboten“ abwerben, heißt es weiter. Britta Schulze, Vorsitzende der Landesgruppe, schlug vor, „Einrichtungen müssen verstärkt auf alternative, innovative Arbeitszeitmodelle setzen, um ihre Abhängigkeit von den Leasingfirmen zu reduzieren“.
Berlin will Pflege-Leiharbeit vom Bundesrat verbieten lassen
Die Berliner Gesundheitssenatorin hatte im Dezember des vergangenen Jahres eine Bundesratsinitiative angekündigt, die Leiharbeit in der Pflege verbieten soll. „Krankenhäuser beklagen, dass Pflegepersonal insbesondere im intensivmedizinischen Bereich von den Leasingfirmen gezielt abgeworben wird“, sagte Kalayci damals. In der Folge nehme die Arbeitsbelastung der verbleibenden Kollegen weiter zu.
Pflegekräfte, die die Strukturen und Prozesse einer Station nicht kennen – ob im Krankenhaus oder einer Pflegeeinrichtung –, würden zudem die Patientensicherheit und die Pflegequalität gefährden, erklärte sie. „Pflege ist eine Mensch-zu-Mensch-Beziehung. Die ist bei kurzen Einsätzen der Leiharbeitskräfte schwer aufzubauen“, meinte die Senatorin.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sah Leiharbeit in der Pflege hingegen in einem Interview mit dem Tagesspiegel Mitte Januar eher weniger kritisch. Wo es regelhaft Leiharbeit gebe, sorge sie für schlechte Stimmung, erklärte er. „Im Zweifel muss das Stammpersonal die weniger schönen Dienstzeiten übernehmen. Und häufig wechselndes Personal ist weder gut fürs Team noch für die Patienten“, sagte Spahn weiter. Aber es sei auch „Ausdruck des Arbeitsmarktes, wie er eben ist“.
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