„Big Data“ in der Medizin nicht unproblematisch

Köln – Die Auswertung großer Datenbestände – Big Data – für die medizinische Forschung aber auch für die individuelle Therapieplanung gilt weithin als äußerst vielversprechende Option für den medizinischen Fortschritt. Einen kritischen Kommentar zu dieser Entwicklung hat jetzt das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) publiziert. Er ist in der neuen Broschüre des Instituts „Auf den Punkt gebracht“ erschienen. In dieser jährlich erscheinenden Publikation veranschaulicht das Institut wichtige Aspekte seiner Arbeit in prägnanten Texten und Abbildungen – jetzt ist die vierte Ausgabe erschienen.
„In der modernen Wettervorhersage, der Steuerung von Stromnetzen oder dem gezielten Marketing auf Basis von Kundendatenanalysen werden Big-Data-Analysen bereits eingesetzt“, heißt es in dem Beitrag. „Wie sieht die Big-Data-Methodik zur Gewinnung neuen Wissens aus?“, fragen die IQWiG-Autoren.
Vereinfacht gesagt, durchforsteten Programme mit kontinuierlich optimierten Auswertungsalgorithmen große Datenbestände nach Zusammenhangsmustern. Dabei zielten die Programme nicht wie in sorgfältigen klinischen Studien auf die Testung von Hypothesen über Ursache-Wirkungs-Beziehungen. Am Ende des digitalen Siebvorgangs sollen belastbare Erkenntnisse zum Nutzen von medizinischen Verfahren stehen, und das unter detaillierter Berücksichtigung individueller Patientenmerkmale.
„Aus Sicht der evidenzbasierten Medizin ist dies nicht möglich, denn Wirksamkeit und Nutzen einer Behandlung können nur durch Kausalität und nicht auf Basis von Korrelationen belegt werden“, betonen die IQWiG-Wissenschaftler. Zum Nachweis von kausalen Zusammenhängen brauche es prospektive und idealerweise randomisierte vergleichende Studien.
„Profitiert der individuelle Patient?“, fragen die Autoren weiter. Bei einer Form der klinischen Anwendung von „Big Data“ wird das Datenmuster eines Patienten im Wissensbestand des Großrechners über Tausende Patientenverläufe einer Ähnlichkeitsanalyse unterzogen und dann für eine gezielte Therapieplanung genutzt . „Handfeste Beweise für einen größeren Patientennutzen stehen allerdings noch aus. Der Weg von der Forschung in die Praxis scheint länger als gedacht“, schreiben die IQWiG-Autoren.
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