Bildung erhöht die Wahrscheinlichkeit einer frühen Gehirntumor-Diagnose
London/ Solna – Wer einen Universitätsabschluss hat, lebt mit einem erhöhten Risiko für Gehirntumore. Vor allem Gliome traten bei Menschen, die mindestens drei Jahre studiert hatten, häufiger auf als bei jenen, die keine höhere Ausbildung vorzuweisen hatten. Zu diesem Ergebnis kommt eine Kohortenstudie in Schweden mit mehr als 4,3 Millionen Teilnehmern, die im Journal of Epidemiology and Community Health (DOI: 10.1093/neuonc/noq149) publiziert wurde. Die Autoren untersuchten darüber hinaus den Zusammenhang des Einkommens, Familienstands und Berufs mit dem Risiko für Gehirntumore.
Die Auswertung erstreckte sich über einen Zeitraum von 1993 bis 2010. Am Ende der Beobachtung waren die Teilnehmer zwischen 49 und 99 Jahren alt.1,1 Millionen waren inzwischen verstorben und fast 50.000 ausgewandert. Fast 6.000 Männer und mehr als 7000 Frauen hatten einen Gehirntumor entwickelt – diese identifizierten die Forscher um Amal R. Khanolkar vom Institute of Environmental Medicine, Karolinska Institute, Stockholm mit Hilfe des nationalen Krebsregisters. Die übrigen Informationen stammen aus Versicherungs-, Arbeitsmarkt- und Volkszählungsdaten.
Bei Männern, die mindestens drei Jahre eine universitäre Ausbildung absolviert hatten, stellten die Studienautoren eine 19 % höhere Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Gliomen fest – verglichen mit jenen, deren Schullaufbahn nach neun Pflichtjahren endete. Frauen mit vergleichbaren Universitätszeiten waren mit 23 % einem noch höherem Gliom-Risiko ausgesetzt. Zudem lebten 16 % mehr mit der Diagnose Meningiom. Bei Männern war die Häufigkeit dieser Tumorart nicht von der Ausbildung abhängig.
Schlechte Finanzen und Single-Männer haben geringeres Risiko
Das Einkommen und der Familienstand zeigten nur einen geringfügigen Zusammenhang mit diesen Beobachtungen und auch nur bei Männern. Ein vergleichsweiser hoher Verdienst erhöhte die Wahrscheinlichkeit eines Glioms bei ihnen um 14 %. Die Art der Arbeit hingegen verursachte bei beiden Geschlechtern einen Unterschied im Hirntumorrisiko. Nicht-manuelle Tätigkeiten führten bei Männern zu einem um 20 % und bei Frauen einem um 26 % höheren Gliom-Risiko. Zudem stieg die Anzahl der diagnostizierten Akustikusneurinome bei Männern in nicht-manuellen Berufen um 50 % und bei Frauen das für Meningiome um 14 %.
Alleinstehende Männer, die nie zuvor verheiratet waren, hatten ein 17% niedrigeres Risiko für Gliome. Gleichzeitig jedoch ein um 19 % erhöhtes Risiko für eine Meningiom-Diagnose. Bei Frauen spielte der Familienstatus keine Rolle.
Ursachenforschung bleibt vage
Über die Ursachen dieser Ergebnisse können die Studienautoren nur Vermutungen aufstellen. Nicht untersucht wurden Lifestyle-Faktoren, wie etwa eine gesunde Ernährung, Alkohol-Konsum, Rauchen oder Bewegung. Alle Schweden sollten aufgrund des universalen Gesundheitssystems Zugang zu den gleichen Versorgungsstandards haben. Laut der Autoren könne hier die persönliche Finanzkraft daher keine Unterschiede verursachen.
Einen Einfluss könnte hingegen der Ausbildungsgrad auf die hinterlegten Daten im Krebsregister haben. Geht man davon aus, dass besser ausgebildete Menschen mit Hirntumoren die Symptome früher erkennen und sich daher früher in die Hände von Ärzten begeben, wird bei ihnen auch die Operationsrate höher sein. Denn im fortgeschrittenen Alter werden beispielsweise Glioböastome seltener operiert, erklärt Khanolkar. Dieser Umsatnd führe zu einem vollständigeren Report an das Register. Denn der Pathologe ist verpflichtet, die bei einer Operation untersuchten Gewebeproben dem Krebsregister zu melden.
Den Effekt der Partnerschaft auf die Krebshäufigkeit führen die Autoren auf die aufmerksameren Frauen zurück. Sie erkennen Symptome wie etwa Gedächtnisverlust, Verwirrtheit oder Persönlichkeitsänderungen und bestehen darauf, dass der Mann zum Arzt geht. Umgekehrt ist diese Beobachtungsgabe weniger ausgeprägt, was erklären würde, dass zwischen alleinstehenden und verheirateten Frauen kein Unterschied sichtbar wurde. Ähnliche Ergebnisse wurden bereits in früheren Studien gefunden.
Dass ausschließlich bei Männern ein höheres Einkommen ausschlaggebend war, liegt vermutlich daran, dass Männer mit gleicher Qualifikation mehr verdienen als Frauen. Khanolkar geht davon aus, dass dieses ungleiche Gefälle sich nach 2010 weiter verbessert hat. Bei einer Erhebung zu einem späteren Zeitpunkt sollte sich das zur Verfügung stehende Geld daher auch bei Frauen auswirken.
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