Vermischtes

Bis zu 6.000 Missbrauchsopfer laut Studie im Bistum Münster

  • Montag, 13. Juni 2022
Die Historiker Thomas Großbölting (l) und Klaus Große Kracht, sprechen bei der Pressekonferenz zur Vorstellung der Studienergebnisse zum Missbrauch im Bistum Münster. In der Westfälischen Wilhelms Universität stellt das Forschungsteam die Studienergebnisse aus dem Missbrauch von 1945 - 2020 im Bistum Münster vor. /picture alliance, Guido Kirchner
Die Historiker Thomas Großbölting (l) und Klaus Große Kracht, sprechen bei der Pressekonferenz zur Vorstellung der Studienergebnisse zum Missbrauch im Bistum Münster. In der Westfälischen Wilhelms Universität stellt das Forschungsteam die Studienergebnisse aus dem Missbrauch von 1945 - 2020 im Bistum Münster vor. /picture alliance, Guido Kirchner

Münster – Das Ausmaß des sexuellen Missbrauchs im katholischen Bistum Münster ist einer unabhängigen Untersuchung zufolge deutlich größer als bisher bekannt. Aus den Akten des Bistums ergebe sich eine Zahl von 610 Missbrauchsopfern und damit mehr als ein Drittel mehr, als in der 2018 präsentierten MHG-Studie der Deutschen Bischofskonferenz erfasst wurden, teilten die Wissenschaftler der Westfälischen Wilhelms-Uni­versität Münster (WWU) heute mit.

Die an der Studie beteiligte Historikerin Natalie Powroznik sagte, die 610 Opfer seien nur das Hellfeld, das sich aus den Akten ergebe. Aus vergleichbaren Fällen sei von einem Dunkelfeld auszugehen, das acht- bis zehn­mal so groß sei. Es gebe also „etwa 5.000 bis 6.000 betroffene Mädchen und Jungen“ im Bistum Münster.

An den 610 namentlich bekannten Opfern seien mindestens 5.700 Einzeltaten sexuellen Missbrauchs verübt worden. In der Hauptphase der Taten – die 1960er und 1970er Jahre – habe es in den Gemeinden des Bistums Münster im Durchschnitt zwei Missbrauchstaten durch Priester pro Woche gegeben. Drei Viertel der Opfer seien Jungen, ein Viertel Mädchen, der Großteil zwischen zehn und 14 Jahre alt.

Die Studienmacher berichteten von zum großen Teil massiven Missbrauchstaten mit erheblichen psychischen Folgen für die Opfer bis hin zu Depressionen und Suizidgedanken. Bei 27 der namentlich bekannten Miss­brauchsopfer im Bistum Münster seien Hinweise auf Suizidversuche gefunden worden. Powroznik sagte, immer wieder hätten Priester den Missbrauch zu einer „gottgefälligen“ Handlung umgedeutet.

Der Münsteraner Bischof Felix Genn will sich am kommenden Freitag ausführlich zu der Studie äußern. In einer ersten Reaktion erklärte er: „Ich übernehme selbstverständlich die Verantwortung für die Fehler, die ich selbst im Umgang mit sexuellem Missbrauch gemacht habe. Ich war und bin Teil des kirchlichen Systems, das sexuellen Missbrauch möglich gemacht hat.“

Zu möglichen persönlichen Konsequenzen äußerte sich Genn nicht. Einem möglichen Rücktritt müsste aller­dings Papst Franziskus zustimmen – beim Münchner Kardinal Reinhard Marx und beim Hamburger Erzbischof Stefan Heße hatte Franziskus Rücktrittsangebote zurückgewiesen, im Fall des wie Marx und Heße schwer be­lasteten Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki steht eine Entscheidung zu einem Rücktrittsangebot noch aus.

Die Studienmacher warfen dem seit 2009 in Münster als Bischof tätigen Genn Versäumnisse vor. Wenn ein Missbrauchstäter Reue gezeigt habe, sei Genn kirchenrechtlich nicht immer konsequent vorgegangen. Erst in jüngerer Zeit werde in Münster konsequent vorgegangen. Massive Vorwürfe machten die Forscher dem ver­storbenen Bischof Reinhard Lettmann, der immer wieder auch als pädophil bekannte Priester in der Seelsorge eingesetzt habe.

afp

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