Politik

Bisher keine Auswirkungen der Cannabislegalisierung auf Konsumhäufigkeit feststellbar

  • Freitag, 14. November 2025
/Syda Productions, stock.adobe.com
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Berlin – Die Teillegalisierung von Cannabis als Freizeitdroge hatte bis zum Jahresende 2024 keine signifikante Auswirkung auf den Konsum unter Erwachsenen. Zu diesem Ergebnis gelangt eine Auswertung der Daten des Epidemiologischen Suchtsurveys (ESA), die heute im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht wurde.

Demnach ist die 12-Monats-Prävalenz des Konsums von 4,6 Prozent im Jahr 2012 kontinuierlich auf 8,8 Prozent im Jahr 2021 gestiegen. Zwar wurde im Jahr 2024 ein weiterer Anstieg auf nun 9,8 Prozent beobachtet, dieser sei jedoch nicht signifikant. Der Konsum stieg also kontinuierlich, ohne dass sich ein Effekt der Gesetzesänderung beobachten ließe.

Die Daten der jüngsten Stichprobe wurden zwischen August und Dezember 2024 erhoben, also vier bis acht Monate nach Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes (KCanG) am 1. April. Befragt wurden 7.534 zufällig ausgewählte Menschen, wobei ein Kalibrierungsgewicht angewendet wurde, um Unterschiede nach Alter, Geschlecht, Bundesland, Gemeindegröße und Bildungsstand auszugleichen.

Nicht signifikant verändert hatte sich auch der Anteil der stark – also täglich oder fast täglich – Konsumierenden. Er hatte 2021 bei 17,3 Prozent der Konsumierenden gelegen und fiel leicht auf 16,2 Prozent.

Auch der Anteil der Cannabiskonsumierenden, deren Erstkonsum in den vergangenen drei Jahren erfolgte, habe sich nicht signifikant verändert, schreiben die Autorinnen und Autoren der Untersuchung vom IFT Institut für Therapieforschung, dem Department für Klinische Psychologie und Psychotherapie der Charlotte Fresenius Hochschule sowie der Forschungsgruppe Cannabinoide am Klinikum der Ludwigs-Maximilians-Universität, allesamt in München.

Mit 65,6 Prozent waren fast zwei Drittel derer, die in den vergangenen zwölf Monaten Cannabis konsumiert haben, männlich. Im Schnitt waren die Konsumenten 34 Jahre alt.

Bei weitem am häufigsten wurde Marihuana konsumiert (92,3 Prozent), gefolgt von Haschisch (36,7 Prozent) und anderen Cannabisprodukten mit einem THC-Gehalt von über 0,3 Prozent (27,5 Prozent).

Überraschend ist vor allem ein Ergebnis: Jeder Vierte gab an, Mitglied eines Cannabis Social Clubs zu sein. Unter regelmäßig und stark Konsumierenden war es sogar jeder Dritte. Im Vergleich dazu gab dies nur jeder fünfte Gelegenheitskonsument an.

Das sei nicht konsistent mit anderen Daten, bemerkt Jakob Manthey, Arbeitsgruppenleiter „Substanzkonsum und Public Health“ am Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung (ZIS) in Hamburg. Manthey war nicht an der Studie beteiligt; er leitet im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) die gesetzlich vorgeschriebene Evaluation des Konsumcannabisgesetzes.

Seine Ende September vorgelegte erste Zwischenauswertung kommt hinsichtlich des Konsumverhaltens zu sehr ähnlichen Ergebnissen – nicht allerdings bei den Clubmitgliedschaften.

„Während des Befragungszeitraums hatten lediglich zehn Anbauvereinigungen Cannabis produziert und abgegeben“, betont er. Demnach hätten in den bis April 2025 genehmigten 222 Anbauvereinigungen maximal zwei Prozent aller Konsumierenden Mitglied sein können.

„Ich würde aufgrund der Unschärfe des gewählten Begriffs und der mangelhaften externen Validität der Ergebnisse definitiv nicht davon ausgehen, dass im Jahr 2024 ein Viertel der Konsumierenden ihr Cannabis aus genehmigten Anbauvereinigungen beziehen konnten“, sagt er.

Die häufigste Konsumform waren Joints – 88,6 Prozent bei Konsum in den vergangenen zwölf Monaten sowie 70 Prozent an einem typischen Konsumtag. Eine Mehrheit von 68,2 Prozent gebrauchte Cannabis dabei mit Tabak.

„Offensichtlich ist das Rauchen von Cannabis zusammen mit Tabak, zum Beispiel in Form eines Joints, die schlechteste Art und Weise, Cannabis zu konsumieren“, betont Manthey. Konsumierende würden damit nicht nur Herz und Lunge belasten, sondern auch ein höheres Abhängigkeitspotenzial eingehen. „Nicht nur, aber auch durch die unzureichende Tabakkontrollpolitik hierzulande sind alternative Konsumformen bislang kaum verbreitet“, kritisiert er.

Allerdings gaben mit 28,9 Prozent vor allem regelmäßig Konsumierende an, häufiger einen Verdampfer zu benutzen. Von gelegentlich Konsumierenden taten dies nur 10,5 Prozent.

„Alles, was geraucht wird, ist um ein Vielfaches schädlicher für den Körper als andere Konsumformen. Insofern wäre es zu begrüßen, wenn mehr Konsumierende auf Konsumformen wie Vaporizer zurückgreifen würden“, kommentiert Bernd Werse, Leiter des Instituts für Suchtforschung (ISFF) der Frankfurt University of Applied Sciences und ebenfalls nicht an der Studie beteiligt.

Das Verdampfen sei die risikoärmste Form des Cannabiskonsums, betont auch Manthey, insbesondere bei einem moderaten THC-Gehalt von zehn bis 15 Prozent.

Der am häufigsten angegebene Grund für den Konsum ist ebenfalls wenig überraschend: Konsumierende wollten high werden und Spaß haben. Zwei Drittel der Befragten gaben das an. Mit 61 Prozent folgten Stressabbau und Entspannung aber bereits kurz danach, wobei dieser Grund unter regelmäßig und stark Konsumierenden mit knapp 88 Prozent deutlich häufiger vertreten war.

Auch die Verbesserung der Schlafqualität war mit 58 Prozent ein häufig genannter Grund, gefolgt vom Umgang mit Depressionen oder Angst (32 Prozent). Fast 13 Prozent gaben an, Cannabis zu konsumieren, um ihre Leistungsfähigkeit zu steigern.

„Hedonistische und stressreduzierende Motive waren in unserer Untersuchung die Hauptgründe für den Cannabiskonsum in Deutschland“, schreiben die Autorinnen und Autoren der Studie. „Dieses Ergebnis deckt sich mit früheren Studien, die zeigten, dass Cannabis häufig entweder zur Verstärkung positiver Emotionen oder zur Linderung negativer Affekte verwendet wird.“

Bemerkenswert sei allerdings, dass regelmäßig und stark Konsumierende funktionale Motive häufiger angaben als gelegentlich Konsumierende. „Dieses Muster stützt die Selbstmedikationshypothese, wonach Personen Substanzen nutzen, um emotionale oder psychologische Belastungen zu bewältigen oder zu regulieren.“

Aufgrund der kurzen Zeit seit der Teillegalisierung hätten sich die Auswirkungen der Gesetzgebung vermutlich noch nicht voll entfalten können, ordnet Daniel Kotz, Professor für Suchtforschung und klinische Epidemiologie am Institut für Allgemeinmedizin der Universitätsklinikum Düsseldorf die Ergebnisse ein. „Eine weitere engmaschige, wissenschaftliche Beobachtung des Cannabiskonsums in Deutschland ist in den kommenden Jahren notwendig.“

lau

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