Boehringer-Managerin: Zeit der großen „Blockbuster“ vorbei

Ingelheim – Der Fokus der Medizin wird künftig nach Einschätzung der neuen Deutschlandchefin von Boehringer Ingelheim auf individualisierten Therapien liegen. Der Trend gehe in Richtung differenzierterer Ansätze, sagte Sabine Nikolaus in Mainz.
Krebserkrankungen etwa würden immer „tumorspezifischer“ und exakter auf den einzelnen Patienten abgestimmt bekämpft. Das heiße auch, dass es anders als in der Vergangenheit nicht mehr die Medikamente geben werde, die bei einer großen Masse von Kranken einheitlich verwendet würden. „Die Zeit der großen Blockbuster wird die Zukunft nicht mehr sein.“
Angesichts des Trends zu immer individuelleren Therapien in der Medizin hält sie Änderungen im Gesundheitssystem für nötig. „Im Moment steht der Preis eines Arzneimittels im Zentrum“, sagte Nikolaus. Ganz häufig sei der aber entkoppelt vom eigentlichen Nutzen.
„Wenn Sie mit einem Medikament die Einweisung in ein Krankenhaus hinauszögern oder einen Mensch länger gesund halten können, dann ist das ein Wert an sich, der momentan noch recht wenig berücksichtigt wird“, sagte Nikolaus. Sie rede bewusst nicht vom Preis eines Arzneimittels, sondern vom Wert eines Arzneimittels. Sondern: „Wir brauchen eher volkswirtschaftlich integrativere Betrachtungen von Arzneimitteltherapien.“
Noch mehr an Bedeutung gewinnen nach Einschätzung von Nikolaus auch Biopharmazeutika. „Der Trend geht zu großen biopharmazeutischen Molekülen. Das ist der Grund, warum wir dort in der Forschung und Entwicklung investieren“, sagte sie. Nach Angaben der Beratungsgesellschaft EY war der Umsatz mit Biopharmazeutika in Deutschland 2017 um acht Prozent auf den Rekordwert von vier Milliarden Euro gestiegen.
Boehringer stärke gezielt seine biopharmazeutische Eigenproduktion – vor allem Mittel gegen Magen-Darm- sowie Lungenkrebs. Bislang macht in der Biologikaproduktion die Herstellung im Auftrag von Drittfirmen einen beträchtlichen Teil aus. In der Boehringer-Produktpalette stehen Biopharmazeutika Nikolaus zufolge für 40 Prozent – Tendenz steigend. 2018 übernahmen die Ingelheimer das Biopharmaunternehmen Viratherapeutics aus Innsbruck.
Große Bedeutung misst Nikolaus zudem Forschungskooperationen bei. „Das ist ein Weg der Zukunft“, sagte sie. Auch deswegen habe Boehringer eine Substanzdatenbank erstellt, über die interessierte Forschende Substanzen bestellen könnten. Gerade in der Krebstherapie brauche es Kombinationen von Wirkmechanismen, um die Krankheit erfolgreich bekämpfen zu können. Klar sei trotz aller Digitalisierung und neuer technischer Möglichkeiten: „Arzneistoffforschung ist ein Hochrisikogeschäft und wird das auch bleiben. Da dürfen wir uns nichts vormachen.“
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