Ausland

Britische Krankenhäuser im Alarmzustand

  • Donnerstag, 6. Januar 2022
/picture alliance, empics, Dominic Lipinski
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London – Wegen der Belastungen durch die Omikron-Welle hat mittlerweile fast jede sechste englische Krankenhausstiftung den Ernstfall ausgerufen. Das passiert, wenn die Verantwortlichen der Ansicht sind, dass notwendige Behandlungen nicht mehr gewährleistet werden können. Dies betreffe 24 der 137 Kran­kenhausstiftungen in England, zu denen meist mehrere Kliniken gehören, wie der britische Verkehrs­minister Grant Shapps heute mitteilte.

Etliche Beschäftigte im Gesundheitswesen sind selbst infiziert und fallen aus, gleichzeitig wächst der Rückstau an Behandlungen weiter an, weil Operationen zunehmend verschoben werden. Dem Guardian zufolge will die NHS Confederation, in der Organisationen des Gesundheitsdienstes zusammengeschlos­sen sind, Zehntausende Medizinstudierende in Kliniken einsetzen. Offiziellen Angeben zufolge warten allein in England fast sechs Millionen Menschen auf Routineoperationen und Behandlungen – viele davon mit Schmerzen.

In einem neuen Ausschussbericht rufen Abgeordnete die britische Regierung dringend auf, einen lang­fristigen Plan zu schmieden, um das Gesundheitssystem robust und krisenfest zu machen. „Die aktuelle Omikron-Welle verstärkt das Problem, aber wir hatten schon vorher eine ernsthafte Personalkrise, mit ausgebranntem Personal, 93.000 unbesetzten Stellen im Gesundheitsdienst und keinen Plan in Sicht, der das ändert“, sagte der Ausschussvorsitzende Jeremy Hunt.

Es drohe die Gefahr, dass viele Mediziner den Sektor verlassen, wenn „kein Licht am Ende des Tunnels“ sichtbar werde. Die Regierung verweist auf zusätzliche Gelder, die bereits angekündigt worden sind, um den Rückstau zu beheben. Dies ist vielen in der Branche jedoch nicht ambitioniert genug.

In England müssen Coronainfizierte nach einem positiven Schnelltest demnächst keinen PCR-Test mehr machen, um ihre Infektion bestätigen zu lassen. Die Änderung solle am 11. Januar in Kraft treten, kündig­te die Chefin der nationalen Gesundheitsbehörde, Jenny Harries, in London an. Nach einem positiven Test müssen sich Infizierte für sieben Tage in Quarantäne begeben. De facto wird die Quarantänezeit damit erneut verkürzt, da das Warten auf das Ergebnis des PCR-Tests wegfällt.

Zuvor war die Dauer der Selbstisolation bereits von zehn auf sieben Tage verkürzt worden, um Personal­ausfälle in kritischen Branchen abzufedern. Infizierten mit Symptomen wird noch immer ein PCR-Test empfohlen. Das Testsystem in Großbritannien ist aufgrund der neuen Welle mit der besonders ansteck­enden Omikron-Variante seit Wochen überlastet. Immer wieder gibt es Probleme bei Buchung oder Bestel­lung von Tests.

Laut gestern veröffentlichten Zahlen der Nationalen Statistikbehörde ONS ist mehr als jeder zwanzigste Mensch in Großbritannien in der vergangenen Woche des Jahres 2021 mit dem Coronavirus infiziert ge­wesen. Damit waren 3,7 Millionen Menschen im Vereinigten Königreich betroffen, während die Fall­zah­len wegen der Omikron-Variante weiter stiegen. In der Woche davor waren 2,3 Millionen Infizierte gemel­det worden.

Am höchsten war demnach die Zahl der Fälle in London, wo nach Angaben des ONS jeder zehnte Ein­woh­ner infiziert war. Die höchsten Raten seien nach wie vor bei Kindern im Schulalter und jungen Erwachsenen verzeichnet worden.

Großbritannien zählt mit bisher fast 150.000 Coronatodesfällen zu den am schwersten von der Pandemie betroffenen Ländern in Europa. Das Vereinigte Königreich sieht sich derzeit mit immer neuen Rekord­zahlen bei den Neuinfektionen konfrontiert. Dies liegt vor allem an der hoch ansteckenden Omikron-Variante des Virus.

Auch die Zahl der Krankenhauseinweisungen wegen COVID-19 steigt seit einiger Zeit wieder an, hat aber lange nicht die Spitzenwerte vorheriger Pandemiewellen erreicht. Strengere Beschränkungen für die Bevölkerung oder gar einen neuen Lockdown lehnt die Regierung von Premierminister Boris Johnson allerdings ab.

Stattdessen kündigte er an, die Testvorschriften für symptomlose Infizierte in England zu lockern, um die Auswirkungen der Rekordinfektionsraten zu mildern. Das Gesundheitssystem droht wegen Personalman­gels angesichts in Quarantäne befindlicher Mitarbeiter zusammenzubrechen.

dpa

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