Ausland

Britische Studie: Mehr schwere COVID-19-Fälle in Gesundheitsberufen

  • Montag, 14. Dezember 2020
/picture alliance, Steve Parsons
/picture alliance, Steve Parsons

Glasgow – Die Gefahr einer schweren COVID-19-Erkrankung ist für Ärzte, Pflegekräfte und Rettungs­sa­ni­täter einer britischen Studie zufolge wesentlich höher als für Menschen in sogenannten nicht­essenziell­en Berufsgruppen.

In Großbritannien ist die Rate siebenmal so groß, wie Epidemiologen der Universität von Glasgow in ei­ner Studie ermittelt haben. Die Forscher verglichen dabei nicht die Zahlen der Coronainfektionen, son­dern nur die der COVID-19-Patienten in britischen Kliniken inklusive der Gestorbenen.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte bereits im September berichtet, dass 14 Prozent aller welt­weit gemeldeten Coronainfektionen auf Menschen in Gesundheitsberufen entfielen. In manchen Ländern liege die Quote gar bei 35 Prozent, obwohl deren Anteil an der Bevölkerung insgesamt in den meisten Ländern bei unter 3 Prozent liege.

Zu diesen Zahlen passt nun die Analyse des Teams von Epidemiologen der Universität von Glasgow. Dieses nutzte unter anderem die UK Biobank, die Datensätze von rund einer halben Million Menschen enthält, sowie britische Coronadaten aus dem ersten Lockdown, der in Großbritannien von Mitte März bis Ende Juli dauerte.

Die Studie umfasste somit gut 120.000 Menschen im Alter zwischen 49 und 64 Jahren. Über 35.000 (29 Prozent) übten dabei einen „essenziellen“ Beruf aus, arbeiteten also im Gesundheitswesen (neun Pro­zent), im Sozial- und Erziehungswesen (elf Prozent) sowie in den Bereichen Polizei, Transport und Le­bensmittelzubereitung (neun Prozent).

Dabei stellten die Forscher zunächst fest, dass in diesen Bereichen überdurchschnittlich viele Frauen sowie überproportional viele Schwarze und aus Asien stammende Menschen beschäftigt sind. Wie die Wissenschaftler im Fachblatt Occupational & Environmental Medicine berichten, verglichen sie dann, wie hoch das Risiko einer COVID-19-Infektion mit schwerem Verlauf, also mit Klinikaufenthalt oder gar Todesfolge, für die unterschiedlichen Berufsgruppen war.

Insgesamt traten 271 dieser Fälle auf. Ihre Untersuchung ergab, dass Angehörige des Gesundheits­we­sens – Ärzte, Apotheker, medizinisches Hilfspersonal, Pflegekräfte und Rettungssanitäter – ein sieben­mal höheres Risiko für eine schwere Erkrankung hatten als Vertreter nicht-essenzieller Berufe. Beim medizinischen Hilfspersonal war dieses Risiko sogar neunmal höher.

Bei Beschäftigten im Sozial- und Bildungswesen war die Wahrscheinlichkeit eines schweren COVID-19-Verlaufs um 84 Prozent höher, während „andere“ Beschäftigte essenzieller Berufe ein um 60 Prozent hö­heres Risiko aufwiesen. Eine genauere Aufschlüsselung der Berufsgruppen ergab zudem, dass das Risiko für Beschäftigte im sozialen Bereich um 2,5 Mal höher war als bei nicht-essenziellen Berufs­gruppen.

Mit Blick auf die Ethnie fanden die Epidemiologen heraus, dass schwarze oder aus Asien stammende Menschen in nichtessenziellen Berufen ein dreimal höheres Risiko für eine schwere COVID-19-Erkran­kung hatten, als weiße Menschen in den gleichen Berufsgruppen. Im Bereich essenzieller Berufe war das Risiko für die beiden Gruppen sogar achtmal höher.

Die Autoren betonen, dass es sich um eine Beobachtungsstudie handele, die keine Aussage zu den Ursa­chen der erfassten Zusammenhänge treffen könne. Nichtsdestotrotz unterstreiche ihre Arbeit die Wich­tigkeit adäquater Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen und der Bereitstellung persönlicher Schutz­ausrüstung für Menschen, die in essenziellen Berufen und hier vor allem im Gesundheits- und Sozial­bereich arbeiteten.

Sie schreiben: „Die Gesundheit und das Wohlergehen essenzieller Arbeitskräfte ist entscheidend für die Begrenzung der Ausbreitung und die Bewältigung der Belastung durch globale Pandemien.“

In Deutschland scheint zumindest die Versorgung mit Schutzkleidung für medizinisches Personal mitt­ler­­weile besser zu sein als noch im Frühjahr. Das ergaben Mitgliederbefragungen einiger Landes­verbän­de des Marburger Bundes.

Diese stellten aber auch fest, dass etwa regelmäßige Pausen für zwei Drittel der Befragten oder mehr gar nicht oder nicht ausreichend möglich seien, so die Befragungen aus Bayern, Sachsen und dem Saar­land. Hinzu komme wachsende Personalnot. Jener Stress schade der Gesundheit des medizinischen Per­sonals, wobei Infektionen eine zusätzliche Belastung darstellten.

Wie viele Angehörige von Gesundheitsberufen in Deutschland genau erkrankt sind und das insbesondere mit schwerer Symptomatik lässt sich indes nicht genau beziffern. So gibt es hierzulande kein zentrales Melderegister dafür. Bei registrierten Coronafällen fehlen oftmals die Angaben zum Beruf. Mehr und mehr Meldungen über erkrankte Angestellte wie zuletzt etwa aus dem Uniklinikum Augsburg deuten aber auf eine steigende Zahl hin.

dpa

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung