Ausland

Brüssel bekräftigt scharfe Kritik an polnischem Abtreibungsrecht

  • Dienstag, 9. Februar 2021
/picture alliance, Beata Zawrzel
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Brüssel – Das EU-Parlament und die Europäische Kommission haben ihre Kritik am verschärften polni­schen Abtreibungsrecht bekräftigt. Vertreter von Konservativen, Sozialdemokraten, Liberalen, Grünen und Linken warfen der Regierung in Warschau bei einer Debatte im Brüsseler Parlament heute vor, ge­gen Frauen- und Menschenrechte zu verstoßen.

Die EU-Kommissarin für Gleichstellung, Helena Dalli, stellte die Legitimität des Obersten Gerichtshofs infrage, der das umstrittene Gesetz ermöglicht hatte. Polen hatte seine bereits restriktiven Abtreibungs­ge­setze im Januar infolge eines Urteils des Obersten Gerichts nochmals verschärft.

Die Richter hatten den Schwangerschaftsabbruch schwer fehlgebildeter Föten als „unverein­bar“ mit der polnischen Verfas­sung bezeichnet. Daraufhin setzte die nationalkonservative Regierung die von ihr ge­forderte Verschärfung um. Schwanger­­schaftsabbrüche sind damit in fast allen Fällen verboten.

Dalli unterstrich, dass Abtreibungsgesetze der Mitgliedstaaten nicht unter die Zuständigkeit der EU fallen, verwies aber darauf, dass die Kommission schon 2017 die Unabhängigkeit und Legitimität des polnischen Obersten Gerichts angezweifelt hatte. „Diese Bedenken wurden bislang nicht ausgeräumt.“

Auch die Fraktionschefin der Sozialdemokraten, Iratxe García, sieht das Grundproblem im polnischen Justizsystem: „Dieses Urteil wurde von einem Gericht gesprochen, das sich nicht so nennen dürfte, weil es voll und ganz unter der Kontrolle der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit steht.“

Die irische Konservative Frances Fitzgerald sprach von einer „europäischen Schande“. Die niederländi­sche Liberale Samira Rafaela warf Warschau vor, die Rechte von Frauen mit Füßen zu treten.

Selbst Portugals Europastaatssekretärin Ana Zacarias, die als Vertreterin des Rates der Mitgliedstaaten auch die Regierung in Warschau bei der Debatte repräsentierte, erlaubte sich einen persönlichen Kom­men­tar: „Als Frau will ich unterstreichen, dass Frauenrechte Menschenrechte sind“.

Schwangerschaftsabbrüche sind in Polen jetzt nur noch infolge von Inzest oder Vergewaltigung oder bei Lebensgefahr für die Mutter erlaubt. „Das bedeutet in der Praxis, dass 98 Prozent der bislang in Polen vorgenommen Abtreibungen künftig illegal sind“, sagte Kommissarin Dalli.

Bislang wurden in Polen jährlich weniger als 2.000 Schwangerschaften legal abgebrochen. Frauen­­rechts­organisationen gehen von etwa 200.000 weiteren illegalen oder im Ausland vorgenommenen Abtrei­bungen aus.

afp

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