Medizin

Brustkrebs: Warum Rauchen die Vorteile einer Radiotherapie infrage stellen könnte

  • Mittwoch, 22. März 2017
/Erwin Wodicka, stock.adobe.com
Erwin Wodicka stock.adobe.com

Oxford – Rauchen steigert die Gefahr, nach einer Radiotherapie des Mammakarzinoms an Lungenkrebs oder Herzversagen zu sterben. Das Zusatzrisiko könnte laut einer Studie im Journal of Clinical Oncology (2017; doi: 10.1200/JCO.2016.72.0722) sogar die Vorteile der Bestrahlung aufheben, die vor allem nach brusterhaltenden Operationen zur Standardbehandlung bei Brustkrebs gehört.

Rauchen ist auch für gesunde Frauen schädlich. Nach der Million Women Study erhöht Rauchen das Risiko, an Lungenkrebs zu sterben, um den Faktor 20. Das Risiko auf einen kardialen Tod vervierfacht sich. Lungen und Herz liegen bei der Radiotherapie des Mammakarzinoms im Bestrahlungsfeld. Nach den Berechnungen von Carolyn Taylor und Mitarbeitern der Universität Oxford liegt die Strahlenbelastung der Lunge auf der behandelten Seite bei 9,0 Gray (Gy) und auf der gegenüberliegenden Seite bei 2,4 Gy. Das Herz erhält bei einem linksseitigen Brustkrebs eine Dosis von 5,2 Gy. Bei einem rechtsseitigen Brustkrebs sind es 3,7 Gy.

Die Meta-Analyse früherer Studien ergab, dass die Radiotherapie das Sterberisiko durch Lungenkrebs um den Faktor 2,10 (95-Prozent-Konfidenzintervall 1,48–2,98) erhöht. Pro Gray Strahlenexposition steigt das Risiko um elf Prozent (Excess Rate Ratio [ERR] 0,11; 0,05–0,20). Das kardiale Sterberisiko steigt um 30 Prozent (1,30; 1,15–1,46) oder um vier Prozent pro Gray (ERR 0,04; 0,02–0,06).

Diese relativen Risiken gelten für Raucherinnen und Nichtraucherinnen gleichermaßen. Da das Ausgangsrisiko (vor der Strahlentherapie) für Raucherinnen höher ist, steigt die absolute Zahl der Folgeschäden durch die Strahlentherapie stärker an. Taylor erläutert dies am Beispiel einer 50-jährigen Frau, die wegen eines Mammakarzinoms eine Radiotherapie mit fünf Gy erhält. Das Lungenkrebsrisiko steigt dadurch um 55 Prozent (fünf mal elf Prozent) an.

Als Nichtraucherin hätte die Frau ein Risiko von 0,5 Prozent, bis zum 80. Lebensjahr an Lungenkrebs zu sterben. Infolge der Radiotherapie steigt das Risiko auf 0,8 Prozent (0,5 Prozent multipliziert mit 1,55). Der absolute Anstieg um 0,3 Prozent ist deutlich geringer als die Gefahr, durch den Verzicht auf die Radiotherapie vorzeitig an einem Rückfall des Brustkrebses zu sterben.

Als Raucherin hätte dieselbe Frau ein Lebenszeitrisiko auf einen tödlichen Lungenkrebs von 9,4 Prozent. Die Radiotherapie mit fünf Gy erhöht das Risiko um den Faktor 1,55. Das ergibt ein Lebenszeitrisiko von 13,8 Prozent. Die Differenz von 4,4 Prozentpunkten könnte laut Taylor höher sein als der Vorteil, den die Frau durch die Radiotherapie erhält.

Hinzu kommt noch das Risiko, an einer Herzkrankheit zu sterben. Ohne Radiotherapie hätte die 50-jährige Nichtraucherin eine Wahrscheinlichkeit von 1,8 Prozent, bis zum 80. Lebensjahr an einem Herzleiden zu sterben; bei einer Raucherin beträgt das Risiko 8,0 Prozent. Eine Strahlendosis von vier Gray bedeutet einen Anstieg des Risikos um 16 Prozent (vier mal vier Prozent). Das ergibt eine Zunahme des Lebenszeitrisikos auf einen Herztod um 0,3 Prozent für die Nichtraucherin und von 1,2 Prozent für die Raucherin. Der Unterschied ist geringer als beim Lungenkrebs, er könnte jedoch dazu beitragen, dass die Nutzen-Risiko-Bewertung einer Radiotherapie des Mammakarzi­noms für Raucherinnen negativ ausfällt. 

Nach den Berechnungen von Taylor wäre die betroffene Patientin besser beraten, auf die Strahlentherapie zu verzichten. Noch besser wäre es allerdings, sie würde die Krebs­erkrankung zum Anlass nehmen und das Rauchen aufgeben. Dann würde sie wahrscheinlich von der Radiotherapie profitieren, sofern die Berechnungen von Taylor zutreffen. Wie bei allen Berechnungen gibt es einen Unsicherheitsfaktor. Ein empirischer Beweis für die Hypothese steht noch aus. Leider wurde in den randomisierten kontrol­lier­ten Studien zur Radiotherapie des Mammakarzinoms der Raucherstatus nicht er­hoben.

rme

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