Bürokratie in Praxen um mehr als 700.000 Stunden gestiegen

Berlin – Der Bürokratieindex in der vertragsärztlichen Versorgung (BIX) ist um 1,30 Prozent auf 96,10 Punkte gestiegen. Damit werden 2020 voraussichtlich rund 715.073 Stunden Bürokratieaufwand mehr anfallen als 2019.
Die Bürokratiekosten für die Praxen werden sich damit laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) um knapp 31 Millionen Euro auf etwa 2,44 Milliarden Euro erhöhen. Das geht aus Brechnungen des aktuellen BIX hervor, den die KBV heute gemeinsam mit der Fachhochschule des Mittelstands (FHM) zum fünften Mal veröffentlichte.
„Unser erklärtes Ziel war und ist, den Bürokratieaufwand in den Praxen zu senken und so die niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten zu entlasten“, sagte Thomas Kriedel, Vorstandsmitglied der KBV. Mit dem diesbezüglich Erreichten könne man noch nicht zufrieden sein. „Gerade für junge Ärztinnen und Ärzte ist der hohe Bürokratieaufwand ein großes Niederlassungshemmnis“, betonte Kriedel.
Wie Volker Wittberg von der FHM betonte, konnten in den Berechnungen mögliche Coronaeffekte noch nicht abgebildet werden. Eventuell aufgetretene zusätzliche pandemiebedingte Bürokratiebelastungen für Ärzte und Psychotherapeuten hätten noch nicht quantitativ abgebildet werden können, da die aktuelle Datengrundlage für das Jahr 2020 in der Regel erst im Folgejahr zur Verfügung stehe.
Deshalb seien zu diesem Aspekt Befragungen in Fokusgruppen durchgeführt worden. Die Ergebnisse zeigten, dass viele Praxen durch komplexe und schwer nachvollziehbare Vorgaben, vermehrten Kommunikationsbedarf sowie häufig unklare Zuständigkeitsregelungen an den Rand ihrer Belastbarkeit gebracht würden.
Die Verbesserungsvorschläge aus den Erfahrungen in der Praxis betreffen folgerichtig unter anderem die Vereinheitlichung der Regeln für Coronatestungen, eine abgestimmte Information und Kommunikation der Behörden mit den Praxen oder auch die Vereinheitlichung von Regeln für Bescheinigungen.
„Mit COVID-19 sahen und sehen sich die Praxen einer nie dagewesenen Ausnahmesituation gegenübergestellt“, beurteilt Kriedel die Ergebnisse. Daher habe man gegenüber der Politik deutlich gemacht, dass die Einführung neuer Pflichtanwendungen der Telematikinfrastruktur – beispielsweise der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) – während der Coronakrise nicht parallel leistbar ist.
Die KBV setzt sich aktuell für eine Verschiebung des Starts der eAU auf Oktober 2021 ein. Kriedel verwies darauf, dass die Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband zu den Details noch laufen. Er sei aber „guter Dinge“ – das Bundesgesundheitsministerium (BMG) habe eine solche Fristverlängerung zugesichert.
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