Bundesgesundheitsministerium soll umfangreiche Rechte während einer Epidemie erhalten

Berlin – Das Bundeskabinett hat heute den Kabinettsentwurf des „Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ verabschiedet. Dadurch soll der Bund in einer entsprechenden Notlage für einen befristeten Zeitraum zusätzliche Kompetenzen erhalten.
Eine „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ liegt dem Gesetzentwurf zufolge dann vor, wenn entweder die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine Pandemie ausruft und die Einschleppung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit droht oder eine bundesländerübergreifende Ausbreitung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit. In letzterem Fall soll die Bundesregierung eine epidemische Lage von nationaler Tragweite ausrufen können. Der Deutsche Bundestag oder der Bundesrat sollen das Recht erhalten, die Aufhebung dieser Feststellung zu verlangen.
Ministerium soll Beschlüsse der Selbstverwaltung aufheben dürfen
Ist eine epidemische Lage von nationaler Tragweite festgestellt, soll das Bundesgesundheitsministerium (BMG) ermächtigt sein, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrats Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Gesundheitsversorgung in ambulanten Praxen, Apotheken, Krankenhäusern, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen und in sonstigen Gesundheitseinrichtungen in Abweichung von bestehenden gesetzlichen Vorgaben vorzusehen, heißt es in dem Gesetzentwurf.
Insbesondere soll das BMG ermächtigt werden, „untergesetzliche Richtlinien, Regelungen, Vereinbarungen und Beschlüsse der Selbstverwaltungspartner anzupassen, zu ergänzen oder auszusetzen“ sowie „abweichend von der Approbationsordnung für Ärzte zu regeln, dass Medizinstudierenden infolge einer notwendigen Mitwirkung an der Gesundheitsversorgung keine Nachteile für den Studienfortschritt entstehen“.
Auch Pflegekräfte sollen heilkundliche Tätigkeiten ausüben
Zudem soll die Ausübung heilkundlicher Tätigkeiten während einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite auch Pflegekräften und Notfallsanitätern erlaubt sein. „Die Ausübung heilkundlicher Tätigkeiten ist während der epidemischen Lage von nationaler
Tragweite gestattet, wenn 1. die Person auf der Grundlage der in der jeweiligen Ausbildung erworbenen Kompetenzen und ihrer persönlichen Fähigkeiten in der Lage ist, die jeweils erforderliche Maßnahme eigenverantwortlich durchzuführen und 2. der Gesundheitszustand der Patientin oder des Patienten nach seiner Art und Schwere eine ärztliche Behandlung im Ausnahmefall einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nicht zwingend erfordert, die jeweils erforderliche Maßnahme aber eine ärztliche Beteiligung voraussetzen würde, weil sie der Heilkunde zuzurechnen ist“, heißt es in dem Kabinettsentwurf.
„Die durchgeführte Maßnahme ist in angemessener Weise zu dokumentieren. Sie soll unverzüglich der verantwortlichen Ärztin oder dem verantwortlichen Arzt oder einer sonstigen die Patientin oder den Patienten behandelnden Ärztin oder einem behandelnden Arzt mitgeteilt werden.“
Darüber hinaus soll das BMG dazu ermächtigt werden, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrats weiteren Personen mit Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung eines reglementierten Gesundheitsfachberufs während einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite die Ausübung heilkundlicher Tätigkeiten zu gestatten.
Eltern sollen Entschädigungszahlen bei Verdienstausfall erhalten
Weitere Ermächtigungen betreffen Vorschriften für den grenzüberschreitenden Reiseverkehr, Melde- und Untersuchungspflichten, Maßnahmen zur Sicherstellung der Grundversorgung mit Arzneimitteln, Schutzausrüstung und Labordiagnostik sowie eine Flexibilisierung von Vorschriften in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen.
Auch eine Änderung des Baurechts ist vorgesehen. „Angesichts des möglichen und erforderlichenfalls sehr rasch zu deckenden Bedarfs an weiteren Räumlichkeiten zur Versorgung von mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizierten oder möglicherweise infizierten Personen sollen im notwendigen Umfang und zeitlich befristet Abweichungen von bauplanungsrechtlichen Vorgaben und Standards des Baugesetzbuchs ermöglicht werden, um einem akuten Bedarf in der gebotenen Eile Rechnung tragen zu können“, heißt es in dem Gesetzentwurf.
Zudem sollen Sorgeberechtigte betreuungsbedürftiger Kinder staatliche Entschädigungszahlungen erhalten, wenn das Gesundheitsamt die Schließung von Schulen und Kitas angeordnet hat.
Bundesrat muss dem Gesetz zustimmen
Für länderübergreifende Vorhaben der Versorgungs- und Gesundheitsforschung, an denen
öffentliche und nichtöffentliche Stellen des Bundes und der Länder beteiligt sind, werden darüber hinaus Regelungen vorgesehen, die eine Klarstellung der Zuständigkeiten der datenschutzrechtlichen Aufsichtsbehörden bei Vorhaben der Versorgungs- und Gesundheitsforschung im Sinne eines „One-Stop-Shop“ ermöglichen, länderübergreifende Versorgungs- und Gesundheitsforschung unter Wahrung des Datenschutzes beschleunigen und eine einheitliche Rechtsauslegung zum Wohle aller Betroffenen gewährleisten. Als One-Stop-Shop wird die Möglichkeit bezeichnet, notwendige Vorgaben an einer einzigen Stelle durchzuführen.
Das „Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ hat das Bundestagkabinett heute verabschiedet. Amfreitag kommt es in den Bundesrat.
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