Hochschulen

Bundeskartellamt untersagt Uniklinikverbund in Baden-Württemberg

  • Freitag, 26. Juli 2024
/picture alliance, Roberto Pfeil
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Heidelberg/Mannheim – Das Bundeskartellamt hat einen Verbund zwischen den Universitätskliniken Heidelberg und Mannheim untersagt. Die Behörde kam nach einem monatelangen Prüfverfahren zu dem Schluss, dass die zu erwartenden Nachteile vor allem aufseiten von Patienten die möglichen Vorteile überwiegen.

Das Land Baden-Württemberg will nun beim Bundeswirtschaftsministerium eine sogenannte Ministererlaubnis beantragen, um neben der Marktbeherrschung Aspekte wie die Notwendigkeit, Gesundheitsversorgung, Spitzen­forschung oder dringend benötigte Medizinstudienplätze berücksichtigt zu wissen.

Das Land Baden-Württemberg und die Stadt Mannheim streben einen Verbund der Häuser an, um den hochdefi­zitären Standort Mannheim zu erhalten – und ein „europäisches Leuchtturmprojekt der Medizin“ zu schaffen, wie Mannheims Ex-Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) im vergangenen Jahr formulierte. Das Land ist Träger des Standortes Heidelberg, die Stadt Mannheim Trägerin der örtlichen Universitätsklinik.

„Wir sind nach wie vor von der Notwendigkeit und Bedeutung des von allen Beteiligten gewollten Zusammen­schlusses überzeugt – aus wirtschaftlicher und medizinisch-strategischer Sicht und ganz besonders aufgrund der gesellschaftlichen Verantwortung für die bestmögliche Versorgung von Patientinnen und Patienten“, erklärte Wissenschaftsministerin Petra Olschowski (Grüne).

Das Kartellrecht sei nicht darauf ausgelegt, die Besonderheiten und Herausforderungen eines Zusammenschlus­ses zweier so großer Universitätsklinika zu berücksichtigen und dabei zu bedenken, dass im Falle einer Untersa­gung medizinische Spitzenforschung, eine hochkarätige Patientenversorgung und rund 270 Medizinstudienplätze verloren gehen könnten.

In dem gewünschten Verbund sollten beide Krankenhäuser auf medizinischer, wirtschaftlicher und wissenschaft­licher Ebene eng zusammenarbeiten, ohne ihr eigenständiges Profil zu verlieren. Allein in Mannheim gibt es ins­gesamt 2.000 Studienplätze für Humanmedizin. Geplant war, dass das Universitätsklinikum Heidelberg Mehr­heits­gesellschafter der Mannheimer Uniklinik wird.

Der Präsident des Bundeskartellamtes, Andreas Mundt, erklärte, die wettbewerblichen Nachteile infolge eines Zusammenschlusses hätten vor allem die Patientinnen und Patienten zu tragen, „denn in der Region verbleiben neben den Kliniken der Beteiligten nur wenige vergleichbare und unabhängige Wettbewerber, in manchen medi­zinischen Fachbereichen fast gar keine“.

Gehörten wesentliche Anbieter zum selben Träger, gehe der Qualitätswettbewerb verloren, weil man Abwande­rungen zur Konkurrenz nicht mehr im gleichen Maße befürchten muss, argumentiert die Behörde unter anderem.

Das Kartellamt hat Mundt zufolge auch ein Argument der Parteien berücksichtigt, wonach Größe, höhere Fall­zahlen und Spezialisierung oft zu besserer Behandlungsqualität führen. „Allerdings gehen wir nicht davon aus, dass zur Verwirklichung dieses Vorteils der Zusammenschluss überhaupt notwendig ist. Andere Formen der Ko­operation können ähnlich positive Wirkungen entfalten, ohne gleich den Kliniken ihre Unabhängigkeit zu neh­men.“

Das Bundeskartellamt hatte das Leistungsspektrum und die Patientenherkunft von mehr als 320 Krankenhäusern in einem Umkreis von rund 150 Kilometern um Heidelberg analysiert sowie 30 Krankenhäuser und 215 niederge­lassene Fachärzte in der Region befragt. Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig. Gegen ihn kann beim Ober­landesgericht Düsseldorf Beschwerde eingereicht werden.

Der angestrebte Verbund ist nach Angaben von Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) weiterhin der richtige Weg für eine bedarfsgerechte und qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung in der gesamten Region Rhein-Neckar. „Ich unterstütze daher den jetzt erforderlichen Weg über einen Antrag beim Bundeswirtschaftsministe­rium zur Erreichung dieser Ziele.“

Das Universitätsklinikum in Mannheim fährt hohe Verluste ein – so hoch, dass das Land seit 2021 hohe Beträge zur Unterstützung aufwenden muss. Für 2025 erwartet das Klinikum nach Angaben der Stadt ein Minus von 99 Millionen Euro.

„Die Finanzierung eines Supramaximalversorgers, der Patientinnen und Patienten nicht nur aus der Region, sondern aus ganz Deutschland mit hochspezialisierten medizinischen Leistungen auf der Basis wissenschaftlicher Exzellenz versorgt, bringt unsere Stadt zunehmend an die Grenzen ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit“, sagte Oberbürgermeister Christian Specht (CDU).

Die Uniklinik Heidelberg hat nach früheren Angaben fast 2.600 Betten sowie gut 86.000 stationäre und mehr als eine Million ambulante Patienten im Jahr. Mit 10.700 Beschäftigten zählt sie zu den wichtigsten Arbeitgebern der Region. Im Mannheimer Haus arbeiten rund 4.300 Mitarbeiter. Sie behandeln nahezu 45.000 Patienten stationär und über 170.000 ambulant.

dpa

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