Bundesregierung will pflegende Angehörige besserstellen

Berlin – Nach einer Anylse des Sozialverbandes VdK fühlt sich jeder Dritte, der Angehörige zu Hause pflegt, extrem belastet, und kann die Pflegesituation nur unter Schwierigkeiten oder gar nicht mehr bewältigen. Gerade in der Coronazeit, als zudem entlastenden Angebote wegfielen, fühlten sich viele pflegende Angehörige allein gelassen.
Die Bundesregierung will das nun ändern. „Die Ampelkoalition hat im Koalitionsvertrag vereinbart, sowohl das Pflegezeitgesetz als auch das Familien-Pflegezeitgesetz weiterzuentwickeln“, erklärte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) heute in Berlin.
„Pflegende Angehörige sollen so besser Beruf und Pflege vereinbaren können – auch durch eine Entgeltersatzleistung im Falle pflegebedingter Auszeiten. In etwa so, wie wir es vom Elterngeld kennen.“ Paus äußerte sich bei der Übergabe einer Teilstudie, die der unabhängige Beirat für die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf zur Reform der Familien-Pflegezeitgesetz erarbeitet hat.
In dem Bericht empfiehlt das Fachgremium, die bisherigen gesetzlichen Regelungen radikal zu vereinfachen und dazu die Möglichkeiten stark auszuweiten, für die Pflege von Angehörigen bezahlte Freistellungen und Arbeitszeitabsenkungen in Anspruch zu nehmen.
Außerdem liefert der Report erstmals konkrete Vorschläge für eine Ausgestaltung des Familienpflegegelds; es soll als Lohnersatzleistung einkommensabhängig sein und in Anlehnung an die Höhe des Elterngelds gezahlt werden.
Grundsätzlich wollen die Experten Pflege und Berufstätigkeit vereinbaren. Nach ihren Vorstellungen soll es einen zeitlichen Rahmen von 36 Monaten je Pflegebedürftigem geben: Maximal sechs Monate lang könnten sich Pflegende dann ganz freistellen lassen, den Rest der Zeit in Teilfreistellung mit mindestens 15 Wochenarbeitsstunden. Das wäre eine Verbesserung zu den heutigen Regeln, wonach man maximal 24 Monate Familienpflegezeit mit Teilzeit nehmen kann.
Zudem empfiehlt das Gutachten, den Kreis der Anspruchsberechtigten über den engen Familienkreis hinaus stark auszuweiten, so dass auch Freunde oder Nachbarn das Familienpflegegeld in Anspruch nehmen und die Pflegezeit flexibel untereinander aufteilen können.
Von einem Schritt in die richtige Richtung sprach der Deutsche Caritasverband. „Wir brauchen unkomplizierte Lösungen, die den Pflegenden finanziell und organisatorisch die notwendige Flexibilität geben, wenn die Mutter, der Ehemann oder die Schwester auf häusliche Unterstützung angewiesen sind“, sagte Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa. Besonders lobte sie die vorgeschlagene, bis zu drei Monate dauernde Karenzzeit zur Begleitung von Sterbenden; dies sei ein wichtiges Element einer menschenfreundlichen Sorgekultur.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz zeigte sich skeptisch. „Alle Jahre wieder legen Regierungskommissionen gute Vorschläge vor. Was fehlt, ist der politische Wille der Umsetzung“, sagte Vorstand Eugen Brysch. Darüber müsse bewusst werden, dass nur der kleinere Teil der pflegenden Angehörigen berufstätig ist. Die Millionen im Rentenalter würden schlichtweg vergessen.
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