Bundestag berät über Cannabis als Medizin
Berlin – Der Bundestag hat Ende letzter Woche den Gesetzentwurf zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften in erster Lesung beraten. Der Entwurf sieht vor, dass bestimmte Patienten mit schwerwiegenden Erkrankungen im Einzelfall Cannabis als Therapiealternative nutzen können.
„Wir wollen, dass für Schwerkranke die Kosten für Cannabis als Medizin von ihrer Krankenkasse übernommen werden, wenn ihnen nicht anders geholfen werden kann“, sagte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU). So könnten Cannabisarzneimittel zum Beispiel in der Schmerztherapie bei bestimmten chronischen Erkrankungen oder im Verlauf einer Krebsbehandlung mit Chemotherapie bei schwerer Appetitlosigkeit und Übelkeit sinnvoll zur Linderung der Beschwerden eingesetzt werden.
„Wem Cannabis wirklich hilft, der soll Cannabis auch bekommen können, in qualitätsgesicherter Form und mit einer Übernahme der Kosten durch die Krankenkassen“, erklärte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung Marlene Mortler (CSU). Sie appellierte an alle Beteiligten, den Gesetzentwurf „Cannabis als Medizin“ sachlich und zielorientiert zu diskutieren und ihn schnell zu verabschieden. „Bei allem ist mir aber eines wichtig: Cannabis als Medizin ja, Cannabis zum Freizeitkonsum nein. Selbst die besten Arzneimittel sind keine geeigneten Genussmittel“, so die Drogenbeauftragte.
Der Gesetzentwurf sieht im Detail Änderungen im Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) vor. Geplant ist, die Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln auf Cannabisbasis in der gesetzlichen Krankenversicherung zu erweitern, die bislang grundsätzlich auf zugelassene Fertigarzneimittel im jeweils zugelassenen Anwendungsgebiet begrenzt war. Das bezieht sich vor allem auf Cannabis in Form getrockneter Blüten. Zukünftig soll in Deutschland zudem ein staatlich überwachter Anbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken erfolgen können, um die Versorgung mit Cannabisarzneimitteln in kontrollierter Qualität zu ermöglichen. Die damit verbundenen Aufgaben übernimmt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) als staatliche „Cannabisagentur“.
Die Bundesärztekammer (BÄK) und die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) haben grundsätzlich das Vorhaben des Bundesministeriums für Gesundheit begrüßt, eine erweiterte Verordnungsfähigkeit cannabinoidhaltiger Arzneimittel zu schaffen. Eine Verordnungsfähigkeit von Cannabis in Form von getrockneten Blüten und Extrakten lehnen sie jedoch ab. Nach Auffassung von BÄK und AkdÄ ist die Umstufung von Cannabis als Pflanze oder von Pflanzenteilen weder begründet noch erforderlich.
Für den medizinischen Einsatz von Medizinal-Cannabisblüten fehle es an ausreichender wissenschaftlicher Evidenz, so die Begründung. Es sei zudem zu berücksichtigen, dass der Gebrauch von Medizinalhanf keine genaue Dosierung der medizinisch wirksamen Komponenten von Cannabis erlaubt und dessen Gebrauch als Joint mit den gesundheitlichen Gefahren des Tabakrauchens verbunden ist. BÄK und AkdÄ sehen auch nicht die Notwendigkeit, eine „Cannabisagentur“ zur Kontrolle des Anbaus und Handels einzurichten, da der Nutzen des therapeutischen Einsatzes von Medizinal-Cannabisblüten nicht durch wissenschaftliche Evidenz belegt sei.
Auch der Berufsverband der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin in Deutschland (BVSD) hat im Grundsatz den aktuellen Gesetzesentwurf „Cannabis als Medizin“ begrüßt. Er löse mit seiner prinzipiellen Möglichkeit zur Verschreibung und vor allem Erstattung von Cannabisblüten und Cannabisextrakten ein lange währendes Versorgungsproblem für Patienten in der Palliativversorgung und mit schwerwiegenden Erkrankungen, heißt es dazu aus dem Verband.
Allerdings kritisierten die Schmerzmediziner, dass die Verschreibungs- und Erstattungsfähigkeit eine Genehmigung der Krankenkasse für die Erstverordnung voraussetzt. Bereits heute zeige sich am Beispiel der verschreibungs- und erstattungsfähigen Cannabisextrakte, dass Krankenkassen mit einer solchen Erstattungsbeantragung sehr unterschiedlich verfahren. Von einer strikten Ablehnung über eine sehr zögerliche, gelegentlich erst durch hartnäckiges Nachfragen erteilte Genehmigung bis hin zu sehr raschen positiven Entscheidungs- und Bewilligungsprozessen sei seitens der Krankenkassen jedes Bewilligungs- oder Ablehnungsverhalten zu beobachten. Mit dem nun im Gesetzentwurf bestätigten Verfahren seien Ärzte und Patienten diesen sehr unterschiedlichen Genehmigungsprozessen weiterhin ausgesetzt.
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