Bundestag beschließt Pflegereform

Berlin – Einen Tag vor der parlamentarischen Sommerpause hat der Bundestag am Freitagvormittag mit den Stimmen der Koalitionsparteien das Pflege-Neuausrichtungsgesetz (PNG) verabschiedet. Kern des Gesetzes ist eine bessere Versorgung Demenzkranker und die Stärkung der ambulanten Pflege. „Zum ersten Mal erhalten Menschen mit Demenz, die bisher kaum oder gar nicht berücksichtigt wurden, Leistungen der Pflegeversicherung“, kommentierte Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP).
Angehörige und Pflegebedürftige hätten in Zukunft mehr Wahlfreiheiten, um die Pflege an ihre individuellen Bedürfnisse anzupassen. So könnten sie Zeitkontingente mit ambulanten Diensten vereinbaren. „Dieses Gesetz stellt keinen schlechter, aber viele besser“, erklärte Bahr vor dem Parlament.
Die Opposition übte hingegen deutliche Kritik an der Pflegereform. Die Gesundheitsexpertin der SPD, Elke Ferner, kritisierte, dass ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff im PNG nicht aufgenommen, sondern stattdessen auf die nächste Wahlperiode verschoben worden sei. Das Thema Fachkräftemangel komme im Gesetz überhaupt nicht vor.
Im Hinblick auf die „Pflege-Bahr“ genannte private Zusatzvorsorge, die ab dem kommenden Jahr mit fünf Euro pro Monat vom Staat bezuschusst wird, erklärte sie: „Sie glauben doch selbst nicht, dass der Pflege-Bahr von irgendjemandem in Anspruch genommen wird!“ Die von der Koalition vermuteten 1,5 Millionen förderungsfähigen Verträge im Jahr 2013 reichten gerade einmal für zwei Prozent der Bevölkerung. „Das ist ein Witz und hat mit Vorsorge nichts zu tun“, kritisierte Ferner.
Mit dem „Pflege-Bahr“ wolle die Regierung das Pflegerisiko privatisieren, kritisierte auch die pflegepolitische Sprecherin der Grünen, Elisabeth Scharfenberg. Das sei der Ausstieg aus der Solidarität. Geringverdiener und Ältere würden nichts davon haben, denn trotz des Zuschusses vom Staat könnten sie sich eine private Vorsorge nicht leisten. Und junge und gesunde Menschen würden den Tarif nicht in Anspruch nehmen, weil andere, nicht geförderte private Zusatzversicherungen kostengünstiger seien.
„Wir setzen hier zusätzliches Geld ein, um pflegende Angehörige besser zu unterstützen“, betonte hingegen der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn. „Wir fördern neue Wohnformen, weil Menschen so lange es geht in ihrem häuslichen Umfeld bleiben wollen. Und wir unterstützten Ärzte, die die Bewohner von stationären Pflegeeinrichtungen betreuen, um die Versorgung in diesen Heimen zu verbessern.“
Mit dem PNG werden Demenzkranke ab dem kommenden Jahr höhere Leistungen aus der Pflegeversicherung erhalten – in der Pflegestufe II zum Beispiel ein um 85 Euro erhöhtes Pflegegeld von 525 Euro oder um 150 Euro höhere Pflegesachleistungen von bis zu 1.250 Euro.
Pflegebedürftige können zudem wählen zwischen verrichtungsbezogenen Leistungen sowie bestimmten Zeitkontingenten und den Leistungen, die in dieser Zeit erbracht werden. Wenn innerhalb von vier Wochen keine Begutachtung von Pflegebedürftigen erfolgt, werden die Pflegekassen darüber hinaus dazu verpflichtet, dem Versicherten mindestens drei Gutachter zur Auswahl zu benennen, damit eine Begutachtung auch ohne den Medizinischen Dienst der Krankenkassen erfolgen kann.
Um die Versorgung von stationären Pflegeeinrichtungen mit Heimärzten zu verbessern, werden die Kassenärztlichen Vereinigungen dazu verpflichtet, bei Vorliegen eines entsprechenden Antrags einer Pflegeeinrichtung den Abschluss eines Kooperationsvertrags zwischen der Einrichtung und Heimärzten zu vermitteln.
Kassenärztliche Vereinigungen können mit den Landesverbänden der Krankenkassen dabei Zuschläge für besonders förderungswürdige Leistungen oder besonders förderungswürdige Leistungserbringer zur Förderung der Versorgung in Pflegeheimen vereinbaren – allerdings nur bis zum 31. Dezember 2015.
Vollstationäre Pflegeeinrichtungen sind zudem ab dem Jahr 2014 dazu verpflichtet, die Landesverbände der Pflegekassen unmittelbar nach einer Regelprüfung darüber zu informieren, wie die ärztliche, fachärztliche und zahnärztliche Versorgung sowie die Arzneimittelversorgung in den Einrichtungen geregelt sind. Darin sollen sie insbesondere auf den Abschluss der Kooperationsverträge hinweisen oder die Einbindung der Einrichtung in ein Ärztenetz.
Die Leistungsverbesserungen durch das PNG sollen durch eine Erhöhung des Beitragssatzes zur Pflegeversicherung um 0,1 Prozentpunkte ab dem 1. Januar 2013 finanziert werden.
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