Bundestag stimmt für umstrittenes Gesetz über klinische Prüfungen
Berlin – Mit 357 Ja- und 164 Nein-Stimmen haben die Abgeordneten des Deutschen Bundestages heute namentlich dem „Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften“ zugestimmt. Das Gesetz passt deutsches Recht an die Vorgaben der EU-Verordnung über klinische Prüfungen (Nr. 536/2014) an, die die Genehmigung, Durchführung und Überwachung von klinischen Prüfungen europaweit einheitlich und verbindlich regelt.
Umstritten war das Gesetz, weil es künftig in engen Grenzen die klinische Forschung an nicht mehr einwilligungsfähigen Erwachsenen erlaubt, auch wenn sie diesen nicht direkt nützt, sondern nur Menschen davon profitieren, die an derselben Krankheit leiden. Voraussetzung ist, dass die Probanden zu einer Zeit, als sie noch im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte waren, nach ärztlicher Aufklärung eine entsprechende Verfügung verfasst haben.
Die Vorschrift der Probandenverfügung nach ärztlicher Aufklärung hatten Abgeordnete um Georg Nüßlein (CDU) und Karl Lauterbach (SPD) im Rahmen eines Änderungsantrages in das Gesetz eingebracht. Der Bundestag stimmte diesem am 9. November nach einer emotional geführten Debatte mit 330 zu 243 Stimmen zu. Ebenfalls angenommen wurde ein Antrag von Hubert Hüppe (CDU), der klarstellt, dass nichteinwilligungsfähige Kinder oder Erwachsene die Teilnahme an einer klinischen Prüfung jederzeit ablehnen können und dies gegebenenfalls auch nonverbal äußern können.
Mit dem Vierten Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften werden dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) zufolge insbesondere die nationalen Zuständigkeiten und Verfahren für die Genehmigung klinischer Prüfungen geregelt: Zuständige Behörden sind weiterhin das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sowie das Paul-Ehrlich-Institut (PEI).
Die Ethikkommissionen der Bundesländer sind, wie bisher, maßgeblich an der Genehmigung klinischer Prüfungen beteiligt. Sie werden zukünftig beim BfArM registriert. Ohne die Zustimmung der zuständigen Ethikkommission zu nationalen Aspekten werde es keine klinische Prüfung in Deutschland geben, betonte das BMG. Die europaweiten Aspekte der klinischen Prüfung würden von der Bundesoberbehörde und der Ethikkommission gemeinsam geprüft. Dabei werde sichergestellt, dass die Entscheidung der Ethikkommission gegenüber dem Sponsor der klinischen Prüfung transparent gemacht werde.
Weitere Regelungen des Gesetzes betreffen die Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, die grundsätzlich nur dann erfolgen darf, wenn die Verschreibung nach einem direkten Arzt-Patienten-Kontakt ausgestellt wurde. Damit sollen vor allem Fehldiagnosen verhindert werden, so das BMG.
Die zuständigen Bundesoberbehörden können künftig über die in Deutschland prinzipiell verfügbare Anzahl und Größe von freigegebenen Arzneimittelchargen informieren. Dadurch werde den medizinischen Fachgesellschaften ermöglicht, Handlungsempfehlungen zum Umgang mit Liefer- oder Versorgungsengpässen etwa bei Impfstoffen vorzubereiten.
Künftig ist zudem ein begründeter Verdacht auf Arzneimittelfälschungen ein Grund für einen möglichen Arzneimittelrückruf der Bundesoberbehörden. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen bei der Bekämpfung des Ebolafiebers in Afrika wird darüber hinaus klargestellt, dass Ausnahmeregelungen des Arzneimittelgesetzes, wie zum Beispiel die Verwendung eines nicht zugelassenen Arzneimittels oder Impfstoffs, auch zum Zweck einer Beteiligung an internationalen Hilfsaktionen greifen.
Ein Teil des Gesetzes soll dem BMG zufolge Anfang 2017 in Kraft treten, wesentliche Änderungen zum Genehmigungsverfahren für klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln werden voraussichtlich im zweiten Halbjahr 2018 wirksam. Das Gesetz bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates.
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