Politik

Bundestag: Viel Kritik an Pflegebonus und Immunitätsausweis

  • Donnerstag, 7. Mai 2020
/picture alliance, Eibner-Pressefoto
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Berlin − Die Bundesregierung will in der Coronapandemie die Gesundheitsämter und den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) deutlich stärken. Ebenso sollen die Zahl der Tests ausgeweitet werden und Meldepflichten erweitert werden.

Bei der ersten Lesung des zweiten Bevölkerungsschutzgesetzes betonte Bundesgesund­heitsminister Jens Spahn (CDU) den Einsatz der Millionen Beschäftigten im Gesund­heits­wesen, die momentan Menschen pflegen, versorgen und heilen. Um diese auch zu unter­stützen, werde im Gesetz weitere Unterstützung für den ÖGD aber auch für die Pflege­kräfte selbst geregelt.

So werde ein Bonus von 1.000 Euro, finanziert durch die Pflegekassen, eingeführt. Einige Länder wollten die Gelder aufstocken, so dass es bis zu 1.500 Euro als steuerfreien Bonus geben könnte. Spahn erklärte auch, dass die zusätzlichen Tests von der gesetzlichen Kran­kenversicherung (GKV) gezahlt werden sollen. Dagegen hatten sich GKV-Spitzenver­band sowie die Kassenärztliche Bundesvereinigung in einem Brief an die Bundestagsab­geordneten bereits gewehrt.

Einige Diskussionen wird es um den Gesetzesentwurf kommende Woche bei der Anhö­rung im Gesundheitsausschuss auch geben: So meldeten Opposition sowie der Koaliti­ons­partner SPD noch einige Änderungswünsche an. Die FDP sieht in dem Gesetz gar „Magerkost“ der Regierung, da nicht jetzt schon ausreichend für kommende Pandemie vorgesorgt werde, erklärte FDP-Bundestagsabgeordneter Andrew Ullmann. Experten warnten seit Jahren vor solch einer Situation, nun müsse es eine Strategie geben.

Besondere Aufregung gab es bei den Oppositionsparteien um den geplanten Pflegebo­nus: Die 1.000 Euro seien ein „blanker Hohn“ für die Pflegekräfte, erklärte Andreas Kess­ler von den Linken. Es müsse dauerhaft attraktive Arbeitsbedingungen und Löhne in der Pflege geben. Auch dürfte der Bonus nicht aus der Pflegekasse finanziert werden.

„Die Kosten der Krise sollen nicht nur auf die Versicherten abgewälzt werden“, so Kessler. Es sei derzeit verantwortungslos, dass Krankenhäuser ihren Betrieb mit Zwölf-Stunden-Schichten für die Mitarbeiter wieder hochfahren würden. Die Zeit der Pandemie müsse jetzt für einen Systemwechsel bei den Kliniken genutzt werden.

Pflege- statt Autogipfel

Die Finanzierung der Pflegeprämie kritisieren auch die Grünen. „Es ist kleinlich, dass wir seit Wochen über die Finanzierung diskutieren müssen. Statt einem Autogipfel hätte es einen Pflegegipfel geben müssen“, erklärte Maria Klein-Schmeink, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen. Auch bewertet sie die geplanten Schutzschirme für weitere Ge­sundheitsberufe sowie Einrichtungen als „äußerst löchrig“. Besonders für Einrich­tungen für Menschen mit Behinderungen und ambulante Reha müsste es Regeln geben.

SPD-Vize-Fraktionsvorsitzende und Gesundheitsexpertin Bärbel Bas (SPD) kündigte in ihrem Redebeitrag an, sich auch um die Themen kümmern zu wollen, die nicht im Gesetz stehen. Dazu zähle auch die Finanzlücken bei der ambulanten Reha sowie Unterstützung für Familien von Behinderten. Bei Mutter-Kind-Kuren sei bereits nachgelegt worden.

Für die FDP forderte Nicole Westig, dass auch die „große Gruppe der pflegenden Angehö­rigen“ bedacht werde, denn „die wird mit keiner Silbe im Gesetz erwähnt.“ Ihre Fraktion habe dafür mehrere Anträge eingereicht. Auch SPD-Abgeordnete Heike Behrens setzte sich für mehr Solidarität für Pflegeberufe und Sterbebegleiter in dieser Pandemie ein.

Hilde Mattheis (SPD) begrüßte es in ihrem Beitrag, dass der ÖGD nun gestärkt werde. „Ein Fax gehört nicht in diese Zeit,“ sagte die Gesundheitspolitikerin aus Ulm. Das Gesetz sieht vor, dass die 375 Gesundheitsämter rund 50 Millionen Euro bekommen, um sich digital besser ausstatten zu können.

„Es ist momentan ein schmaler Grat, was wir als Bundesgesetzgeber hier machen könn­en“, so Mattheis mit Blick auf die Entscheidungen gestern, dass nun die Verantwortung für die Bewältigung des Infektionsgeschehens in den Händen der Kommunen liegt. Sie sorge sich darum, ob die Aufgaben vor Ort geleistet werden können.

Diese Sorge treibt auch Rudolf Henke (CDU) um: „Die große Verantwortung ist nun auf die Ministerpräsidenten übertragen worden. Es ist schade, dass die Länder heute bei der Bundestagsdebatte nicht anwesend sind“, so Henke mit Blick auf die leeren Stuhlreihen für Vertreter der Bundesländer im Plenarsaal des Bundestages. Er hoffe, dass die Länder die Zusagen einhalten und den ÖGD entsprechen ausstatten.

Nach seinen Informationen wurde beispielsweise das Kölner Gesundheitsamt von 350 Personen auf 700 Personen aufgestockt, da aus anderen Behörden Mitarbeiter nun aus­helfen. Es müsse ein Monitoring geben, wie die Beschlüsse von gestern in den Ländern umgesetzt werden.

Am heftigsten debattierten die Abgeordneten über ein Thema, das gar nicht mehr im Ge­setz auftaucht: Der von Spahn geplante Immunitätsausweis ist zwar nach seinen Angaben wieder vom Tisch, erregt die Gemüter im Bundestag aber über alle Fraktionen hinweg.

Für die AfD ist der geplante Immunitätsausweis „eine indirekte Nötigung, sich impfen zu lassen“, so AfD-Abgeordneter Detlef Spangenberg. Die Linke hält den Ausweis für „brand­gefährlich“, da es die Bemühungen der Bundesregierung und aller anderen „konterkarie­re“. „Viele Menschen wollen sich dann infizieren, das können wir nicht wollen“, so Linken-Abgeordneter Kessler. Spahn solle sich bei dem Thema nicht hinter einem Gutachten des Ethikrates verstecken, das vor wenigen Tagen in Auftrag gegeben wurde.

Auch Klein-Schmeink von den Grünen sieht durch die Debatte um den Ausweis die der­zei­tigen Pandemiebemühungen als „beschädigt“ an: „Es hat vieles angestoßen, was der­zeit nicht dazu gehört.“

Ganz anders argumentierte Georg Nüßlein (CSU): „Wir brauchen einen Immunitäts­aus­weis. Es steht auch jetzt schon im Impfausweis, welche Antikörper ein Mensch gebildet hat.“ Er kritisierte, dass „sich da jetzt viele Falsche zusammen tun, die über Impflicht dis­kutieren“ sowie „mit der Dummheit der Leute“ spielen.

Der CDU-Abgeordnete Henke betonte, dass es gut sei, dass der Immunitätsausweis nicht im Gesetz drin sei. Da es auch wissenschaftlich noch keinen Beweis gebe, ob jemand immun ist nach einer Erkrankung und damit auch kein Virusüberträger mehr sein könne, komme die Debatte zu früh. Er betonte aber, dass Ärzte ihren Patienten einen medizini­schen Befund mitteilen müssten und dieser damit auch tun könne, was er wolle. Bei­spiels­weise könne er sich gegen Quarantäneanordnungen wehren.

bee

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