Bundesverzeichnis zur Qualität von Krankenhäusern veröffentlicht

Berlin – Der Bundesklinikatlas ist seit heute online. Das Transparenzverzeichnis über die Krankenhäuser und ihre Leistungen in Deutschland wird vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) betrieben. Das Projekt hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach seit vergangenem Jahr vorangetrieben.
Der Atlas ist für alle Patientinnen und Patienten gedacht, um die beste Klinik für ihre bestimmten Erkrankungen zu finden, erklärte Lauterbach heute in der Bundespressekonferenz. Die allermeisten Patienten hätten bislang keine gute Idee, welche Klinik für ihre Behandlung besonders geeignet sei. „Das ist nicht akzeptabel“, so Lauterbach. Der Atlas soll dies ändern.
Das Verzeichnis richtet sich aber auch an Ärztinnen und Ärzte, die etwa Krankenhauseinweisungen vornehmen und sich ebenfalls über Kliniken und ihre Leistungen informieren wollen, so Lauterbach. Er sei sich sicher, dass ärztliches Personal den Atlas häufig nutzen werde.
Das Tool ist als interaktive Suchmaschine aufgebaut, in der man eine Erkrankung und einen Ort oder eine Postleitzahl eingeben kann. Auch umgangssprachliche Wörter wie „Ziegenpeter“ für Mumps erkenne das System, erklärte Lauterbach. So müsse man kein Fachmann sein, um den Atlas bedienen zu können. Die Daten werden per Tachografik dargestellt, dies soll zur besseren Einordnung beitragen. Bis zu zehn Kliniken können direkt miteinander verglichen werden.
Zunächst werden die knapp 1.700 somatischen Krankenhäuser (ohne Kliniken für Psychosomatik und Psychiatrie) mit Behandlungszahlen der jeweiligen Erkrankung und Abteilung, Pflegekräfte für den gesamten Standort und Pflegepersonalquotienten, Mindestmengen, Notfallstufen sowie ausgewählte Zertifikate, angezeigt.
Zudem informiert der Atlas über teilstationäre Behandlungsplätze oder die Ausweisung von Sicherstellungshäusern. In wenigen Wochen sollen auch Komplikationsraten ergänzt werden, kündigte Lauterbach an.
Im kommenden Jahr soll der Atlas weiter um Arztzahlen, der Zahl an Hebammen sowie Daten zu allen registrierten Zertifikaten erweitert werden. Die Arztzahlen stellten eine neue Dokumentationsaufgabe für die Kliniken dar, räumte Lauterbach ein.
Die anderen Daten seien bereits vorhanden und müssten nur aufbereitet werden. Das Verzeichnis werde zu mehr Spezialisierung führen, so Lauterbach. Denn: Patientinnen und Patienten würden wählerischer hinsichtlich ihrer Behandlungen werden, zeigte er sich heute überzeugt.
Algorithmus soll mithilfe KI weiterentwickelt werden
Bis zu einer Million Menschen könnten innerhalb von zehn Minuten ihre Suchanfragen eingeben, so Lauterbach. Derzeit beruht der Atlas auf einem festen Algorithmus, die Weiterentwicklung mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) sei geplant. Dies würde die Auswertung der Daten verbessern. Hier sei man im Gespräch mit Unternehmen, die das umsetzen könnten, erklärte er.
Das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) führt die unterschiedlichen Daten zusammen. Die Daten werden aus Abrechnungsdaten und aus Daten der Qualitätsberichte der Krankenhäuser gewonnen. Derzeit zeige der Atlas Daten aus dem Jahr 2022 an, diese werden aber bald auf Daten von 2023 aktualisiert, sagte der Leiter des IQTIG, Claus-Dieter Heidecke.
Im vierten Quartal sollen die Behandlungszahlen zudem je Leistungsgruppe angezeigt werden, kündigte Lauterbach an. Diese sollen im Rahmen der geplanten Krankenhausreform eingeführt und die Patientenversorgung durch bundeseinheitliche Qualitätskriterien verbessern.
Im Vorfeld hatten die Bundesländer kritisiert, dass der Bund durch den Atlas bereits Leistungsgruppen den Krankenhäusern zuteile, bevor sie selbst nach den Reformplänen in den Jahren 2025/2026 ihre entsprechende Krankenhausplanung umstellen und die Gruppen zuweisen.
Lauterbach erklärte heute, dass der Bund die Leistungsgruppen nicht zuweisen würde, sondern nur den Status Quo abbilden werde. Im September werde der Grouper fertig sein, so Lauterbach. Dieses Softwareinstrument soll die diagnosebezogenen Fälle (DRG) mit den zunächst 65 Leistungsgruppen verknüpfen.
Der Grouper enthalte die Definitionen der Leistungsgruppen, so dass damit geprüft werden könne, welche Kliniken die Voraussetzungen der jeweiligen Leistungsgruppen erfüllen, erklärte Lauterbach. Jede Leistung / Behandlung werde durch den Grouper einer Leistungsgruppe zugewiesen. Die Bundesländer hingegen sollen aktiv entscheiden, welche Krankenhäuser künftig welche Leistungen noch anbieten sollen. Voraussetzung ist, dass die Kliniken die Kriterien erfüllen können.
Vier Monate Verzögerung
Über den Klinikatlas hatten Bund und Länder in den vergangenen Monaten hart gerungen. Die Bundesländer hatten im vergangenen November das zugrundeliegende Krankenhaustransparenzgesetz mit knapper Mehrheit blockiert und den Vermittlungsausschuss angerufen.
Mit einer entsprechenden Protokollerklärung hatte der Bund die Länder erfolgreich besänftigt, Ende März ist das Gesetz nach vier Monaten Verzögerung in Kraft getreten. Ursprünglich sollte das Portal zum 1. April 2024 veröffentlicht werden. Die Bundesländer monierten unter anderem die Reihenfolge, erst müsse die Krankenhausreform kommen und danach ein entsprechender Klinikatlas.
Zudem sorgten sie sich vor einer Zuteilung der Leistungsgruppen durch den Bund. Lauterbach hatte auf eine schnelle Veröffentlichung gedrängt. Kritik gab es auch, dass es bereits Krankenhausverzeichnisse in dieser Form gebe. Der Bundesklinikatlas sei aber das erste „unabhängige und objektive Portal“, das konzeptionell anders und neu aufgestellt sei, betonte heute Heidecke.
Der Gesundheitsminister aus Niedersachsen, Andreas Philippi (SPD), kritisierte heute die Systematik des neuen Atlas auf den bisher nicht eingeführten und zugewiesenen Leistungsgruppen. Beim Atlas werde mit Indikatoren gearbeitet, die noch nicht in Kraft gesetzt seien und die sich zudem noch deutlich verändern werden.
„Daher ist mit dem Bundesklinikatlas der zweite Schritt vor dem ersten gemacht worden“, bemängelte Philippi. Es bleibe abzuwarten, ob der Bundesklinikatlas einen Mehrwert schaffe. Denn es gebe schon aussagekräftige Informationsangebote, zum Beispiel von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) oder der Deutschen Krebsgesellschaft, so Philippi.
„Ob ein weiteres Produkt tatsächlich nottut, darf zumindest infragegestellt werden.“ Das gelte umso mehr, als dass die Kliniken zu Recht auf weitere bürokratische Aufgaben verweisen, die mit dem Bundesklinikatlas einhergehen. „Erst die Reform, dann der Atlas wäre die richtige Reihenfolge gewesen.“
Bereits Angebote vorhanden
Auch die Bundesärztekammer (BÄK) äußerte sich kritisch. Es sei zwar gut und richtig, Patientinnen und Patienten bei der Auswahl eines Krankenhauses leicht zugängliche und verständliche Informationen über die dort angebotenen Leistungen zur Verfügung zu stellen, sagte BÄK-Präsident Klaus Reinhardt.
„Das neue Register schafft aber zunächst einmal zusätzliche Bürokratie und keinen echten Mehrwert für die Patientinnen und Patienten, denn die dort vorgesehenen Informationen waren schon bisher weitgehend über die etablierten Register wie die Weiße Liste oder das Deutsche Krankenhausverzeichnis laienverständlich abrufbar.“
Er kritisierte zudem, dass die Zeit und politische Energie, die in dieses Projekt geflossen seien, besser in ernsthafte Einigungsbemühungen mit den Ländern und den Partnern der Selbstverwaltung bei der Krankenhausreform investiert gewesen wären. Hinsichtlich der Krankenhausreform hoffe Reinhardt auf das parlamentarische Verfahren, das nach dem Kabinettsbeschluss starten kann.
„Wir erwarten, dass dabei ein besonderes Augenmerk auf die Bedeutung der ärztlichen Personalausstattung gelegt wird. Das von der Bundesärztekammer entwickelte Personalbemessungssystem sollte im Gesetz verankert werden. Außerdem muss die ärztliche Weiterbildung bei der Leistungsgruppensystematik und auch bei der Finanzierung angemessen berücksichtigt werden“, forderte Reinhardt.
Der Bundestagsabgeordnete und Gesundheitspolitiker Armin Grau (Grüne) begrüßte den Start des Klinikatlasses. „Damit gehen wir einen entscheidenden Schritt voran zu mehr Qualitätstransparenz im deutschen Gesundheitswesen.“ Er wünsche sich, dass der Atlas von vielen Bürgerinnen und Bürgern genutzt werde und dass er auch mit Hilfe von Verbesserungsvorschlägen aus dem Kreis der Nutzerinnen und Nutzer laufend verbessert werden könne.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft wies zum Start des Bundesprojektes heute erneut auf ihren eigenen Klinikatlas hin. Dieses würde mehr als eine halbe Million Menschen jeden Monat nutzen. Der Vorstandsvorsitzende der DKG, Gerald Gaß, hinterfragte deshalb den Sinn „eines weiteren und diesmal steuerfinanzierten Verzeichnisses“.
Auf ein weiteres bereits bestehendes ähnliches Angebot wies auch der Vorstandsvorsitzende der AOK Plus, Rainer Striebel, hin. „Mit dem Bundesklinikatlas führt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach etwas ein, was das AOK-System seinen Versicherten bereits seit über 15 Jahren anbietet.“ Der AOK-Gesundheitsnavigator biete schon heute mehr relevante Informationen als der Bundesklinikatlas enthält, an. Auch das AOK-Verzeichnis informiere über die Behandlungsqualität von Krankenhäusern.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: