Cannabis: Fachleute weiter wegen Reformplänen alarmiert

Berlin – Heute Abend befasst sich der Bundestag erstmals mit der geplanten Legalisierung von Cannabis. Erneut erheben sich warnende Stimmen aus der Ärzteschaft und der Justiz.
Der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Klaus Reinhardt, sprach von einer „Quadratur des Kreises“. Die Bundesregierung wolle den Eigenanbau erlauben und Cannabisclubs einführen, gleichzeitig soll die Zahl der Konsumenten sinken. „Es liegt auf der Hand, dass das nicht funktionieren kann“, sagte Reinhardt der Rheinischen Post.
Aus medizinischer Sicht sei die internationale Studienlage klar, sagte Reinhardt. „Die Legalisierung von Cannabis führt zu mehr Konsum und verharmlost die damit verbundenen Risiken“, mahnte er.
„Cannabis kann abhängig machen und gravierende Entwicklungsschäden verursachen – gerade bei jungen Menschen.“ Selbst das Bundesgesundheitsministerium warne auf seiner Internetseite vor den psychischen, sozialen und körperlichen Risiken.
„Es ist zu hoffen, dass die Regierungspläne im Parlament noch grundlegend überarbeitet werden“, sagte der Bundesgeschäftsführer des Richterbundes, Sven Rebehn, der Rheinischen Post. Das Gesetz sei nicht geeignet, die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ausgerufenen Ziele zu erreichen.
„Insbesondere werden Justiz und Aufsichtsbehörden durch die Gesetzespläne nicht spürbar entlastet, sondern zusätzlich belastet“, warnte Rebehn. „Das sehr kleinteilige Gesetz mit Dutzenden Bußgeldtatbeständen würde einen hohen Kontrollaufwand, zahlreiche Streitfragen und viele neue Fälle für die Gerichte nach sich ziehen.“ Auch verwaltungsgerichtliche Verfahren und nachbarschaftliche Streitigkeiten rund um den Cannabisanbau dürften sich häufen.
„Zudem ist kaum zu erwarten, dass der Schwarzmarkt durch die hochkompliziert ausgestaltete Cannabisteilfreigabe effektiv eingedämmt werden kann, zumal wichtige Ermittlungsmöglichkeiten gegen gewerbsmäßige Drogenhändler mit dem Cannabisgesetz offenbar entfallen sollen“, warnte der Bundesgeschäftsführer des Richterbunds.
Bayerns amtierende Gesundheitsministerin Ulrike Scharf (CSU) rief die Bundesregierung auf, die Warnungen der Bundesärztekammer und des Deutschen Richterbunds vor einer Legalisierung von Cannabis ernst zu nehmen.
„Die Bundesregierung muss endlich auf die Expertinnen und Experten hören und ihr gefährliches Vorhaben stoppen“, sagte Scharf, die am vergangenen Samstag die Vertretung des bisherigen Gesundheits- und Pflegeministers Klaus Holetschek übernommen hat. Holetschek war an die Spitze der CSU-Landtagsfraktion gewechselt und ist damit nicht mehr amtierender Gesundheitsminister.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verteidigte heute seine Pläne erneut. Das Thema werde damit „aus der Tabuzone“ herausgeholt, sagte der Minister im Deutschlandfunk. Das neue Gesetz ermögliche eine bessere Kontrolle des Schwarzmarkts und verhindere, dass giftige Stoffe beigemischt würden.
Durch eine Aufklärungskampagne bei Kindern, Jugendlichen, Eltern und Lehrern werde herausgestellt, wie gefährlich Cannabis für das wachsende Gehirn sei. „Wenn wir nicht darüber sprechen, wird es nicht weggehen“, sagte der Minister zum Cannabiskonsum Heranwachsender.
Der Gesetzentwurf der Ampelkoalition sieht vor, den Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis ab dem Alter von 18 Jahren straffrei zu stellen. Der Bezug soll über nicht kommerzielle Vereine in begrenztem Umfang ermöglicht werden. Im Eigenanbau sollen bis zu drei Pflanzen erlaubt sein. Für Jugendliche unter 18 Jahren soll der Besitz und Konsum von Cannabis weiterhin verboten sein.
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