Politik

Caritas will Conterganexperimente aufklären

  • Mittwoch, 19. August 2020
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Mainz/Trier – Der Caritasverband Trier will die Vorgänge um die Conterganexperimente an Kindern in der Einrichtung „Maria Grünewald“ soweit wie möglich aufklären. Von den Experimenten, über die das ARD-Magazin Report Mainz gestern berichtete, sei bislang nichts bekannt gewesen, teilte die Caritas gestern mit.

Nach Möglichkeit sollen die Ereignisse nun aufgeklärt werden, gemeinsam mit dem da­mals für die Pflege und Betreuung der Kinder zuständigen Orden der Dernbacher Schwes­tern sowie dem jetzigen Träger der Einrichtung.

Report Mainz berichtete von mehreren Medikamentenstudien. In der Caritas-Lungen­heil­­anstalt in Wittlich (Rheinland-Pfalz) wurde demnach vor 1960 das Mittel Contergan an mehr als 300 tuberkulosekranken Kindern getestet. Kindern zwischen 2 und 14 Jahren seien teilweise gezielt Überdosen verabreicht worden. Ob Kinder dadurch geschädigt wurden, sei nicht bekannt.

Die Ergebnisse der Experimente wurden Ende 1960 veröffentlicht. Zu diesem Zeitpunkt habe es schon seit mehr als einem Jahr zahlreiche Hinweise auf gefährliche Nebenwir­kungen von Contergan gegeben. 1961 wurde das Mittel vom Markt genommen. Quelle für die Recherchen soll ein entsprechender Beitrag zu den Experimenten in der Zeitschrift „Medizinische Welt“ (1960) sein.

Der Trierer katholische Weihbischof Franz Josef Gebert, der zugleich Vorsitzender des Diözesan-Caritasverbandes ist, sagte dem Magazin, man habe nichts von den Versuchen gewusst und sei erschüttert. Weiter erklärte Gebert in einer Stellungnahme der Caritas, der Verband könne derzeit nicht sagen, ob die Experimente mit Zustimmung der Eltern erfolgten oder welche Vereinbarungen dem eventuell zugrunde lagen.

Der Caritasverband besitzt nach Angaben einer Sprecherin in seinem Archiv keine Akten oder Unterlagen zu den Ereignissen. Eine Aufarbeitung der Vorgänge könne deshalb mut­maßlich schwierig sein.

Conterganhersteller Grünenthal hatte das seit 1957 erhältliche Schlafmittel Contergan 1961 wegen schwerer Nebenwirkungen vom Markt genommen. Weltweit hatte es zuvor Totgeburten und bei etwa 5.000 bis 10.000 Kindern Missbildungen wie fehlende oder verkürzte Arme und Beine gegeben, nachdem Mütter während der Schwangerschaft das Mittel eingenommen hatten.

Grünenthal teilte mit, Medikamentenstudien an Kindern seien zur damaligen Zeit nicht unüblich gewesen. Aus heutiger Sicht seien sie aber nicht nachzu­vollziehen. Außerdem entsprächen sie nicht den aktuellen strengen, ethischen Grundsätzen der Arzneimittel­forschung. Die weitreichenden Folgen für die betroffenen Menschen bedauere man zutiefst.

kna

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