Charité im Kreuzfeuer

Berlin – Die Charité – Universitätsklinik Berlin steht unter Beschuss. Das Magazin Stern und RTL berichten heute über zwei Umfragen, in denen die Ärzte in Teilen deutliche Kritik an der Universitätsklinik üben. Darüber hinaus hätten Reporter über Monate Missstände an der Klinik aufgedeckt. Die Charité-Pressestelle weist die Kritik zurück.
Die eine Umfrage stammt vom Marburger Bund (MB) – Landesverband Berlin-Brandenburg. Dieser sieht bei der Ausbildung von angehenden Medizinern Handlungsbedarf. Das gilt insbesondere mit Blick auf das Praktische Jahr (PJ) im Krankenhaus am Ende des Medizinstudiums.
Bei einer nicht repräsentativen Umfrage des Berliner Landesverbands der Ärztegewerkschaft gaben fast zwei Drittel der Befragten an, sie nicht als Lehrkrankenhaus für das PJ zu empfehlen.
„Unsere Umfrage unter den Medizinstudierenden im Praktischen Jahr (PJ) an der Charité bestätigt die Ergebnisse einer bundesweiten Umfrage des Marburger Bundes aus dem vergangenen Jahr“, teilte der Vorsitzende des Landesverbands Berlin-Brandenburg, Peter Bobbert, mit.
„Es gibt deutschlandweit das Problem, dass der letzte Studienabschnitt (PJ) oft nicht so organisiert und gestaltet wird, um die Studierenden optimal auf den Berufsalltag als Ärztin oder Arzt vorzubereiten. Hier muss sich dringend etwas ändern.“
Für die Umfrage „Zwischen Anspruch und Wirklichkeit: Lehre im PJ“ wurden im Juli und August dieses Jahres 235 Menschen befragt, die aktuell in Berlin im Praktischen Jahr sind oder es in den vergangenen zwei Jahren waren. Nur ein kleiner Teil hatte das PJ bereits ohne einen PJ-Abschnitt in Berlin beendet.
Ein Sprecher der Charité teilte mit, die Umfrage unter Studierenden im PJ sei haltlos. Sie sei methodisch unsauber, habe eine nicht ausreichende Datenbasis und sei damit irreführend. An der Charité und ihren Lehrkrankenhäusern hätten in den vergangenen zwei Jahren mehr als 3.000 Medizinstudierende mindestens einen Ausbildungsabschnitt des PJ absolviert.
In der Umfrage wurde unter anderem die Frage gestellt: „Würdest du deinen Kommiliton:innen empfehlen, ein Tertial an der Charité zu absolvieren?“. Das Praktische Jahr im Medizinstudium wird in drei sogenannte Tertiale à 16 Wochen gegliedert, die an verschiedenen Krankenhäusern absolviert werden können.
Eine deutliche Mehrheit der Befragten, die diese Frage beantwortet haben, würde dies nicht empfehlen. So antworteten 72 mit Nein, 41 mit Ja. Die Frage „Würdest du deinen Kommiliton:innen empfehlen ein Tertial an einer Berliner Klinik zu absolvieren?“ beantworteten dagegen 112 der Befragten mit Ja, 48 mit Nein. Bei der Umfrage gab es die Möglichkeit, Fragen zu überspringen, sodass nicht sämtliche Teilnehmer alle Fragen beantwortet haben.
„Daher scheint die Online-Umfrage größtenteils berufspolitisch geprägt zu sein. Die Charité führt seit Jahren repräsentative und differenzierte Evaluationen im PJ durch“, so der Charité-Sprecher weiter. Diese im Rahmen des Qualitätsmanagements vorgenommenen Evaluationen zeigten ein anderes Bild.
„Nach Daten, denen die Bewertungen von über 1.400 PJ-lern und PJ-lerinnen pro Jahr zugrunde liegen, urteilt die weit überwiegende Mehrheit, dass sie sich in ihrer jeweiligen Abteilung im PJ in den Einrichtungen der Charité wohl gefühlt beziehungsweise sehr wohl gefühlt haben“, sagte der Sprecher.
„Etwa zwei Drittel würden das jeweilige Tertial beziehungsweise die Charité weiterempfehlen. Ebenfalls rund zwei Drittel halten fest, dass sie das Tertial beziehungsweise das Praktische Jahr an der Charité in ihrer Ausbildung weitergebracht habe.“
Stern-Umfrage ohne klaren Urheber
Bei der anderen Umfrage spricht der Stern von einer „internen Umfrage unter Ärzten der Charité zur Versorgungsqualität“, an der 200 Mediziner mehrerer Standorte und Kliniken teilgenommen hätten – vom Berufsanfänger bis zur Oberärztin. Die Umfrage ist im Vergleich zur gesamten Beschäftigungszahl aber klein – an der Charité arbeiten etwa 2.700 Ärzte. Offen bleibt, wer die Umfrage initiiert hat.
Mehr als die Hälfte der mehr als 200 Befragten vergaben in dieser internen Umfrage demnach die Schulnoten „mangelhaft“ oder „ungenügend“ bei der Frage, wie sie die Qualität der Patientenversorgung unter den aktuellen Arbeitsbedingungen bewerten. 44 Prozent urteilten „mangelhaft“ und acht Prozent mit „ungenügend“. Mit „ausreichend“ antworteten 29 Prozent.
Ein Anwalt der Charité antwortete Stern und RTL, beide Umfragen seien der Charité nicht bekannt, ihre Ergebnisse aber ohnehin „nicht repräsentativ“. Der Anwalt verwies zudem auf Ranglisten, denen zufolge die Charité auch international regelmäßig zu den besten Krankenhäusern gekürt worden sei.
Auch die Uniklinik meldete sich heute zu Wort. Demnach unterschlägt der Stern-Artikel maßgebliche Informationen, er verallgemeinere unangemessen und ordne Zusammenhänge teils missverständlich ein. „Dadurch entsteht ein falsches Bild der Realität in unserer Klinik, gegen das sich die Charité verwahrt.“
Heute Abend will RTL eine Reportage von Stern Investigativ über die Charité (20.15 Uhr) bei RTL oder im Livestream auf RTL+ senden. Was dort dann im Detail berichtet werden wird, ist noch unklar. Es scheint aber unter anderem um eine Reihe von Patientenfälle zu gehen.
Denn das Krankenhaus stellt heute schon einmal vor dem Bericht klar, dass man an die ärztliche Schweigepflicht gebunden sei. Eine Entbindungserklärung läge nicht vor. Insofern könne man die Kritik nicht entkräftigen.
Auf den Stationen der Charité sei aber die Patientenversorgung „gemäß einschlägigen Richtlinien und medizinischen Notwendigkeiten gewährleistet“. Anders als vom Stern behauptet, gebe es keine strukturelle Überlastung von Ärztinnen und Ärzten an der Charité. Patientenumfragen zeigten eine „sehr hohe Zufriedenheit“ mit der ärztlichen und pflegerischen Versorgung und Leistung der Charité.
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