Corona: Vier Länder wollen Isolationspflicht aufheben, Kritik von Lauterbach

Stuttgart – Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Schleswig-Holstein haben sich darauf verständigt, die Isolationspflicht für Coronainfizierte abzuschaffen. Das stößt auf Ablehnung bei Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).
„Das kommt jetzt zur Unzeit und findet nicht die Billigung der Bundesregierung“, sagte der SPD-Politiker heute in Berlin. Er sprach von einem Fehler der Länder, den der Bund „leider nicht verhindern“ könne und warnte vor einem „Flickenteppich“ mit verschiedenen Isolationsregeln in den Bundesländern.
„Es gibt auch keinen medizinischen Grund, jetzt auf die Isolationspflicht zu verzichten“, sagte Lauterbach. Es gebe etwa 1.000 Todesfälle durch COVID pro Woche. Man stehe vor einer „wahrscheinlich schweren Winterwelle“, weil sich die BQ.1.1-Variante weiter ausbreitet und sei „am Vorabend einer ansteckenderen Variante“.
Es sei deshalb nicht wirklich verantwortbar, die Isolationspflicht wegzunehmen und das gemeinsam Erreichte zu gefährden. Der Bundesgesundheitsminister fügte hinzu, der Arbeitsplatz müsse sicher bleiben und es müsse verhindert werden, dass Menschen infiziert zur Arbeit gedrängt würden. Darüber hinaus müsse man damit rechnen, dass bei mehr Infizierten auch mehr Menschen an Long COVID erkrankten.
Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Schleswig-Holstein wollen „zeitnah“ neue Regelungen in Kraft setzen, die Details würden derzeit ausgearbeitet. Die generelle Isolationspflicht für positiv getestete Personen soll demnach aufgehoben werden.
„An deren Stelle werden die Länder angepasst verpflichtende Schutzmaßnahmen wie eine begrenzte Maskenpflicht positiv getesteter Personen sowie dringende Empfehlungen einführen“, heißt es in der Mitteilung aus Stuttgart.
Als Termin für die Abschaffung der Isolationspflicht in Bayern nannte Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) den 16. November. „Wir läuten eine neue Phase im Umgang mit der Pandemie ein“, erklärte Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne). „Es ist Zeit, den Menschen wieder mehr Eigenverantwortung zu übertragen.“
Die Bundesländer berufen sich den Stuttgarter Angaben zufolge „unter anderem auf Erfahrungen aus Nachbarländern wie Österreich, wo es seit Sommer 2022 absonderungsersetzende Schutzmaßnahmen gibt“.
Aus diesen Ländern seien keine negativen Erkenntnisse bekannt. „Zurückgehende Infektionszahlen, eine wirksame Schutzimpfung, eine Basisimmunität innerhalb der Bevölkerung von mehr als 90 Prozent, in der Regel keine schweren Krankheitsverläufe sowie wirksame antivirale Medikamente rechtfertigen aus Sicht der Länder, diesen Schritt zeitnah zu gehen.“
Der Mitteilung zufolge verständigten sich die Länder auf gemeinsame Empfehlungen als Grundlage für ihre neuen Regelungen. Diese sehen etwa vor, dass positiv Getestete außerhalb ihrer eigenen Wohnung eine Maske tragen müssen – außer im Freien, wenn ein Mindestabstand von 1,5 Metern eingehalten werden kann. Vorgesehen ist demnach auch, dass positiv Getestete medizinische und pflegerische Einrichtungen nicht als Besucher betreten dürfen.
Die vier Bundesländer, die nun gemeinsam die Aufhebung der Isolationspflicht angekündigt haben, hatten Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) Ende September in einem gemeinsamen Schreiben aufgefordert, dafür zu sorgen, dass das Robert-Koch-Institut (RKI) seine Isolationsempfehlungen für Coronainfizierte ändert. Lauterbach hatte dies damals umgehend zurückgewiesen. Bundesjustizminister Marco Buschmann hatte aber bereits darauf hingewiesen, dass die Länder sich über die RKI-Empfehlung hinwegsetzen können.
Das RKI empfiehlt den Ländern, für Infizierte fünf Tage Isolation anzuordnen. Angeraten wird eine dringende Empfehlung, die Selbstisolation danach erst dann zu beenden, wenn ein (Selbst-)Test negativ ausfällt. Beschäftigte des Gesundheits- und Pflegewesens sollen zudem 48 Stunden vor der Testabnahme symptomfrei gewesen sein.
Mehrere Bundesländer kündigten unterdessen an, an der Isolationspflicht festhalten zu wollen. „Die bestehenden Isolationsregeln beruhen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und daraus abgeleiteten Empfehlungen des Robert-Koch-Institutes“, sagte ein Sprecher der Gesundheitsbehörde. Sollte sich die Erkenntnislage und wissenschaftliche Einschätzung ändern, werde Hamburg auch künftig den diesbezüglichen Empfehlungen folgen.
„Aus unserer Sicht ist es dabei schon aus Gründen der Nachvollziehbarkeit und Durchsetzbarkeit geboten, eine bundeseinheitliche Regelung zu treffen“, sagte er. „Eine uneinheitliche Änderung nun zu Beginn der Atemwegserkrankungssaison, die womöglich im Verlauf des Winters angesichts hoher genereller Krankenstände wieder zurückgenommen werden müsste, scheint uns hingegen nicht zweckdienlich.“
„Die Frage, wie die (rechtlich unverbindlichen) Empfehlungen des Robert Koch-Instituts umgesetzt werden, ist eine Frage, die jede Landesregierung für sich entscheiden muss“, hieß es aus dem Gesundheitsministerium in Nordrhein-Westfalen.
Ein Sprecher erklärte: „Wir beobachten den Verlauf des Infektionsgeschehens nach wie vor genau und sind im ständigen Austausch mit Experten, ob und wann Regelungen angepasst werden müssen.“ Während der gesamten Pandemie seien die auf einer wissenschaftlichen Expertise basierenden Empfehlungen des RKI für die Landesregierung „handlungsleitend“ gewesen.
Mecklenburg-Vorpommern zieht bei der Lockerung der Isolationspflicht für Coronainfizierte ebenfalls nicht mit. „Wir halten es nach wie vor für wichtig, dass infizierte Personen möglichst wenig Kontakt zu nicht infizierten Personen haben“, sagte Gesundheitsministerin Stefanie Drese (SPD) in Schwerin. Eine Lockerung der Isolationsregeln sollte aus ihrer Sicht nicht vor der erwarteten Coronainfektionswelle im Winter erfolgen.
Das Bundesland Bremen lehnt eine Aufhebung der Isolationspflicht gegenwärtig ab. „Wir erachten die Isolationspflicht für Infizierte weiterhin als ein wichtiges Instrument, um eine mögliche Winterwelle eindämmen zu können“, teilte ein Sprecher des Bremer Gesundheitsressorts mit.
Sachsen-Anhalt sieht das ebenso. „Nach unserem Kenntnisstand verläuft der Großteil der Erkrankungen eben nicht symptomlos, so dass eine Aufhebung der Isolationspflicht auch nicht zu einer Entspannung der Personalsituation führt“, erklärte Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD) in Magdeburg. „Niemand weiß, wie die nächsten Monate mit neuen Virusvarianten verlaufen werden. Jetzt dürfen wir die Gesundheit von Älteren und Vorerkrankten nicht aufs Spiel setzen.“
Thüringen will den Wegfall prüfen. Die Bewertung der Sachlage innerhalb des Ministeriums laufe noch, sagte eine Ministeriumssprecherin. Eine Entscheidung über den Wegfall oder die Beibehaltung werde voraussichtlich am kommenden Montag fallen.
Die Landesärztekammer Hessen hat die angekündigten Lockerungen begrüßt. „In Anbetracht der rückläufigen Infektionszahlen und überwiegend milden Krankheitsverläufe sollten wir beginnen, Infektionen mit Omikron wie eine andere Infektionskrankheit zu behandeln“, sagte der Präsident Edgar Pinkowski.
Auch der Vorstandsvorsitzende des Universitätsklinikums Frankfurt, Jürgen Graf, nannte die geplante Aufhebung der generellen Isolationspflicht einen „sinnvollen Schritt“. Graf leitet den Planungsstab stationäre Versorgung COVID-19 des Landes Hessen.
„In Hinblick auf die Übertragungsraten von SARS-Cov-2 innerhalb von Krankenhäusern haben wir in den vergangenen zweieinhalb Jahren viel gelernt“, erläuterte Graf. „Unsere Daten zeigen, dass das Risiko einer Übertragung sehr gering ist, wenn ein wechselseitiger Schutz durch chirurgischen Mund-Nasen-Schutz besteht.“
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