COVID-19: Forscher entdecken genetische Ursache für MIS-C

New York – Ein internationales Forscherteam hat Gendefekte entdeckt, die die Anfälligkeit auf das multisystemische Entzündungssyndrom (MIS-C) erhöhen, an dem Kinder in seltenen Fällen im Anschluss an eine Infektion mit SARS-CoV-2 erkranken. Die in Science (2022; DOI: 10.1126/science.abo3627) vorgestellten Ergebnisse erlauben neue Einblicke in die Pathogenese der Variante des Kawasaki-Syndroms.
Kinder erkranken nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 nur selten schwer an COVID-19. Bei einigen kommt es allerdings etwa 4 Wochen nach der (oft gar nicht bemerkten) Infektion zu einer akuten fiebrigen Erkrankung, die mit Hautausschlägen, Bauchschmerzen, Myokarditis, Lymphadenopathie, Koronaneurysmen und erhöhten Entzündungsmarkern im Blut einhergeht.
Die Kinder müssen häufig wegen eines drohenden Kreislaufversagens auf Intensivstation behandelt werden, erholen sich danach jedoch meist. Auch die Koronaneurysmen können sich zurückbilden.
Das MIS-C ist sehr selten. Die Prävalenz wird auf 1 zu 10.000 infizierter Kinder geschätzt. In den USA sind nach Informationen der „Centers for Disease Control and Prevention“ bisher etwa 9.000 Kinder am MIS-C erkrankt, von denen 71 gestorben sind.
Die Pathogenese ist unklar. Der „COVID Human Genetic Effort“, der nach genetischen Prädispositionen für COVID-19 sucht, hat das Genom oder Exom von 558 Kindern sequenziert, die an einem MIS-C erkrankt waren. Dabei wurden 5 Patienten entdeckt, die Mutationen in den Genen für die Proteine OAS oder RNase L aufwiesen.
Beide Proteine sind an der Abwehr von Viren beteiligt. Wenn eine Zelle einen viralen Angreifer erkennt, bildet sie Interferone, die eine erste Abwehr organisieren. Dies geschieht unter anderem durch die Bildung von OAS und RNase L.
Die OAS-Proteine binden an der doppelsträngigen RNA der Viren, die dann durch das Enzym RNase L zerschnitten wird. Diese Abwehr, die Teil des natürlichen Immunsystems ist, wurde bereits in den 1970er Jahren entdeckt.
Wie das Team um Robert Silverman von der Rockefeller University in New York jetzt herausfand, verhindern die Mutationen, dass die OAS-Proteine an der doppelsträngigen RNA der Viren binden oder dass die RNase-L-„Schere“ zur Verfügung steht.
Durch den Ausfall dieses Abwehrmechanismus kommt es zu einer gesteigerten Entzündungsreaktion durch Monozyten und Makrophagen, die ebenfalls zum angeborenen Immunsystem gehören. Danach werden Virusbestandteile den T-Zellen als Antigene präsentiert.
Die T-Zellen sind dann, so vermutet Silverman, für die entzündlichen Angriffe auf die Blutgefäße verantwortlich, die dem MIS-C und dem Kawasaki-Syndrom vermutlich zugrunde liegen. Da die erworbene Immunabwehr erst mit zeitlicher Verzögerung aktiv wird, würde dies erklären, warum die Kinder erst Wochen nach der Infektion an einem MIS-C erkranken.
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