COVID-19: Hospitalisierte Patienten leiden auch nach zwei Jahren unter den Folgen

St. Louis/Missouri und Baltimore – Viele ältere Patienten, die im ersten Jahr der Pandemie wegen COVID-19 im Krankenhaus behandelt werden mussten, leiden auch zwei Jahre später unter den Folgen der Erkrankung.
Auch das Sterberisiko war nach den Ergebnissen von zwei in Nature Medicine (2023; DOI: 10.1038/s41591-023-02521-2) und in JAMA Internal Medicine (2023; DOI: 10.1001/jamainternmed.2023.3587) publizierten Studien erhöht. Die Patienten, die wegen einer milderen Erkrankung ambulant behandelt wurden, haben sich dagegen schneller erholt. Ihr Sterberisiko war nur in den ersten sechs Monaten erhöht.
Die US-Veteranenbehörde, die allen ehemaligen Soldaten eine kostenfreie Krankenversorgung anbietet, hat sich zu einer wichtigen Datenquelle zur Erforschung der Langzeitfolgen von COVID-19 entwickelt.
Der Epidemiologe Ziyad Al-Aly von der Washington University in St. Louis hat in den vergangenen Monaten bereits mehrfach auf die langsame Rekonvaleszenz vieler Patienten hingewiesen, die bis Ende 2020 an COVID-19 erkrankt waren, also in den ersten Monaten der Pandemie, als sich die Pathogenität des Virus noch nicht abgeschwächt hatte und es noch keinen Impfstoff gab.
Al-Aly konnte eine größere Anzahl von infizierten mit nicht infizierten Veteranen vergleichen. Der wichtigste Einwand lautete jeweils, dass an COVID-19 vor allem ältere und komorbide Patienten erkrankten, die auch ohne COVID-19 eine höhere Morbidität und Mortalität gehabt hätten wie die Teilnehmer der Vergleichsgruppe, die jünger und fitter sind.
Dieser Einwand ist nur teilweise berechtigt, da die Krankenakten der Veteranenbehörde ausführliche Angaben zum Gesundheitszustand enthalten, die Al-Aly bei seinen Analysen selbstverständlich berücksichtigte. Allerdings kann keine Datenbank den Gesundheitszustand komplett abbilden, da viele Aspekte des Lebensstils, etwa Ernährung oder körperliche Bewegung, bei den Arztkontakten nicht abgefragt werden.
Die Zahlen, die Al-Aly ermittelt hat, könnten deshalb die Situation etwas dramatischer darstellen als sie in Wirklichkeit ist (Andererseits kann Al-Aly darauf hinweisen, dass sich in seiner Kontrollgruppe auch Personen befanden, die ohne es zu wissen mit SARS-CoV-2 infiziert waren, was zu einer Unterschätzung der Spätfolgen geführt haben könnte).
Die aktuelle Analyse stellt 138.818 Personen mit bestätigter SARS-CoV-2-Infektion einer Kontrollgruppe aus 5,9 Millionen Veteranen ohne (bekannte) Infektion gegenüber. Die COVID-19-Patienten waren im Durchschnitt 60,91 Jahre alt und die Kontrollen 62,82 Jahre. Die Ergebnisse gelten deshalb nur für ältere Menschen.
Die Nachbeobachtungszeit betrug zwei Jahre. Al-Aly unterteilt die Infizierten in 20.580 Patienten, die in der Akutphase im Krankenhaus behandelt wurden, und 118.238 Patienten, die ambulant behandelt wurden.
Die Analyse zeigt, dass die hospitalisierten Patienten sich deutlich langsamer und schlechter von der Erkrankung erholt haben. Während das Sterberisiko bei den ambulanten Patienten nur in den ersten sechs Monaten nach der Infektion erhöht war, blieb es bei den hospitalisierten Patienten über die gesamte zweijährige Nachbeobachtungszeit erhöht (in den letzten sechs Monaten noch um 29 %).
Die Zahl der Hospitalisierungen (aus irgendeiner Ursache) war bei den ambulanten Patienten über 19 Monate höher als in der Kontrollgruppe. Bei den Patienten, die in der Akutphase von COVID-19 im Krankenhaus behandelt wurden, blieb das Hospitalisierungsrisiko (aus irgendeiner Ursache) auch nach zwei Jahren erhöht (um den Faktor 2,57 im letzten Halbjahr).
In den beiden Parameter zeichnete sich mit der Zeit ein Rückgang ab. Es könnte sein, dass nach weiteren ein oder zwei Jahren das Sterberisiko nicht mehr erhöht sein wird. Vorhersagen lässt sich das jedoch nicht.
Al-Aly hat auch das Auftreten von 77 PASC-Symptomen („post-acute sequelae of COVID-19“) untersucht, die auch als Long COVID bezeichnet werden. Bei den ambulanten Patienten traten 24 von 77 PASC-Symptome (31 %) auch nach zwei Jahren noch signifikant häufiger auf als in der Kontrollgruppe, bei den hospitalisierten Patienten waren es 50 von 77 PASC-Symptome (65 %).
Darüber hinaus haben die Forscher die Anzahl der durch COVID-19 verlorenen gesunden Lebensjahre („disability-adjusted life years DALY“) berechnet. Bei den ambulant behandelten Patienten gingen in den ersten beiden Jahren 80,4 DALY pro 1.000 Personen verloren (95-%-Konfidenzintervall 71,6-89,6 DALY). Davon entfiel ein Viertel (25,3 %) auf das zweite Jahr.
Bei den hospitalisierten Patienten gingen 642,8 DALY/1.000 Personen verloren (596,9-689,3 DALY). Auch hier entfiel ein Fünftel (21,3 %) auf das zweite Jahr.
Die Zahlen zeigen, dass eine schwere Erkrankung an COVID-19, die eine Hospitalisierung erforderlich machte, in der Anfangsphase der Pandemie deutlich häufiger mit Langzeitschäden oder zumindest einer verzögerten Erholung einherging als eine milde Erkrankung, die ambulant behandelt werden konnte.
Doch auch viele Patienten mit milden Erkrankungen haben die Folgen nach zwei Jahren noch nicht vollständig überwunden, wobei dies aufgrund des hohen Durchschnittsalters der Patienten vor allem für Senioren gilt.
Die zweite Studie kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Theodore Iwashyna von Johns Hopkins Medicine in Baltimore und Mitarbeiter haben das Sterberisiko von 208.061 Veteranen, die zwischen März 2020 und April 2021 im Durchschnittsalter von 60,5 Jahren an COVID-19 erkrankt waren, mit 1 Mio. Kontrollpersonen verglichen, die in den anderen Eigenschaften den COVID-19-Patienten glichen, aber nicht mit SARS-CoV-2 infiziert waren.
Nach zwei Jahren waren 8,7 % der COVID-19-Patienten und 4,1 % der Kontrollen gestorben. Iwashyna ermittelt eine adjustierte Hazard Ratio (aHR) von 2,01, die mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 1,98 bis 2,04 signifikant war. Das Sterberisiko war in den ersten 90 Tagen nach der Infektion am höchsten (aHR 6,36; 6,20-6,51), aber an den Tagen 91 bis 180 immer noch erhöht (aHR 1,18; 1,12-1,23).
Für das zweite Jahr ermittelte Iwashyna dagegen eine verminderte Sterberate in den Tagen 181 bis 365 (aHR 0,92; 0,89-0,95) und an den Tagen 36 bis 730 (aHR 0,89; 0,85-0,92).
Eine mögliche Erklärung ist, dass COVID-19 den bevorstehenden Tod einiger Menschen beschleunigt hat, die sonst im zweiten Jahr eines anderen Todes gestorben wären („accelerated death“-Hypothese). Denkbar ist auch, dass die überstandene COVID-19-Erkrankung die Patienten widerstandsfähiger gegen andere Erkrankungen gemacht hat.
In einer „Post hoc“-Analyse hat Iwashyna das Schicksal von hospitalisierten und ambulant behandelten Patienten verglichen. Wie in der Publikation von Al-Aly war das Sterberisiko der ambulanten Patienten nur in den ersten sechs Monaten erhöht, während es bei den hospitalisierten Patienten auch im zweiten Jahr nach der Erkrankung erhöht blieb. Iwashyna ermittelt eine adjustierte Hazard Ratio von 1,22, die in etwa den relativen Risiken von Al-Aly entspricht.
Auch wenn epidemiologische Studien den Zusammenhang nicht sicher beweisen können, scheint es so zu sein, dass viele hospitalisierte Patienten auch zwei Jahre später noch unter den Folgen der Erkrankung leiden.
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