Fatigue hält bei vielen Post-COVID-Erkrankten lange an
Berlin – Menschen mit Post-COVID-Syndrom (PCS), die ein halbes Jahr nach der SARS-CoV-2-Infektion an Fatigue leiden, sind oft auch nach mehr als anderthalb Jahren stark beeinträchtigt. Das zeigen Ergebnisse einer aktuellen Studie zeigen (eClinicalMedicine 2023, DOI: 10.1016/j.eclinm.2023.102146).
Demnach gilt dies besonders für Betroffene, die die Kanadischen Konsensuskriterien (CCC) für das Bestehen einer myalgischen Enzephalomyelitis/chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS) erfüllen. Die Mehrheit von ihnen ist auch nach 20 Monaten unverändert schwer krank. Dagegen können sich die Symptome von Personen mit PCS, aber ohne ME/CFS langsam verbessern.
Die Forschungsgruppe von der Charité – Universitätsmedizin Berlin und dem Max-Delbrück-Zentrum hatte in ihre Studie 106 Personen mit PCS eingeschlossen.
Zu den Aufnahmekriterien zählte unter anderem das Bestehen einer moderaten bis schweren Fatigue und einer Belastungsintoleranz mit Post-Exertional Malaise (PEM). Die Gruppe mit ME/CFS (PCS-ME/CFS) umfasste 55 Betroffene, darunter 49 Frauen, und die Gruppe ohne ME/CFS (PCS) 51 Personen, darunter 36 Frauen.
Die Teilnehmenden wurden 3-mal untersucht: 3-8 (Baseline), 9-16 (Follow-up 1) und 17-20 (Follow-up 2) Monate nach SARS-CoV-2-Infektion. Insgesamt berichteten viele Patientinnen und Patienten von anhaltenden PCS-Symptomen. Klinische Verbesserungen traten im Verlauf aber vor allem in der PCS-Gruppe auf.
So waren während des gesamten Studienzeitraums Personen mit ME/CFS stärker von der Fatigue, bestimmt mittels Chalder Fatigue Score (CFQ), betroffen als diejenigen ohne ME/CFS. Dabei besserten sich die CFQ-Gesamtergebnisse in der PCS-Gruppe, in der PCS-ME/CFS-Gruppe blieben sie dagegen eher konstant auf hohem Niveau.
Auch die PEM-Dauer, -Häufigkeit und -Schwere waren in der PCS-ME/CFS-Kohorte stärker ausgeprägt: Das galt sowohl für die Baseline- als auch für die Follow-up-Untersuchungen. Allerdings änderte sich die PEM-Dauer in beiden Gruppen kaum, während sich Häufigkeit und Schwere besserten.
„Leider zeigen unsere Daten, dass Post-COVID-Betroffene mit schwerer Fatigue auch mehr als eineinhalb Jahre nach ihrer Infektion noch immer krank sind“, fasste Judith Bellmann-Strobl von der Charité, eine der beiden Studienleiterinnen, die Ergebnisse zusammen. Nur bei der denjenigen, die nicht das Vollbild der ME/CFS zeigten, zeichne sich eine langsame Besserung zumindest einiger Symptome ab.
Die Forschenden machten in der Studie allerdings eine Beobachtung, mit der sich künftig möglicherweise der Krankheitsverlauf bei PCS-Erkrankten abschätzen lässt: Je mehr Kraft Patienten demnach zu Beginn der Erkrankung in der Hand hatten, desto geringer ausgeprägt waren ihre Symptome bis zu 20 Monate später.
Die Handkraft sei nicht nur ein Parameter für die Schwere der Erkrankung zu Beginn gewesen, sondern habe auch vorhersagen können, wie sich die CFS-Erkrankung weiter entwickeln werde, erklärte Carmen Scheibenbogen, die zweite Studienleiterin sowie kommissarische Direktorin des Instituts für Medizinische Immunologie der Charité und Leiterin des Charité Fatigue Centrums.
„Bevor wir die Handkraft allerdings prognostisch nutzen können, müssen wir ihre Aussagekraft mit weiteren Studien bestätigen“, ergänzte sie. In Europa lebten nach aktuellen Angaben der Weltgesundheitsorganisation, so Scheibenbogen, etwa 36 Millionen Menschen mit Long COVID. Viele seien in ihrem Alltag eingeschränkt und könnten kein normales Leben mehr führen. Die Studie zeige nun, dass die meisten ME/CFS-Erkrankten „anhaltend schwer krank sind“.
Die Medizinerin forderte deshalb neben der intensiven Suche nach wirksamen Therapien Versorgungseinrichtungen, in denen die Betroffenen „auf Basis aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse und klinischer Erfahrung multidisziplinär“ betreut werden.
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