Medizin

COVID-19: Infektionen hinterlassen bei Kindern keinen Antikörperschutz vor Omikron

  • Montag, 30. Mai 2022
/famveldman, stock.adobe.com
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Silver Spring/Maryland – Kinder, die nach einer Infektion mit einer früheren Variante von SARS-CoV-2 an COVID-19 oder einem multisystemischen Entzündungssyndrom (MIS) erkrankt waren, hatten in einer Laborstudie keinen ausreichenden Antikörperschutz vor der Omikron-Variante entwickelt.

Eine Impfung hinterließ nach den in Nature Communications (2022; DOI: 10.1038/s41467-022-30649-1) vorgestellten Ergebnissen dagegen eine gewisse Immunität.

Omikron hat sich bekanntlich deutlich weiter vom Wildtyp entfernt als frühere Varianten von SARS-CoV-2. Die Folgen für erwachsene Menschen sind bekannt. Die Zahl der Erkrankungen erreichte in der Omikron-Welle einen neuen Höhepunkt. Viele Patienten erkrankten jedoch nur leicht, was nicht zuletzt auf die Immunität durch Impfungen oder frühere Erkrankungen zurückzuführen ist.

Zu Infektionen von Kindern gibt es weniger Informationen. Sie standen zu Beginn der Pandemie nicht im Fokus, weil sie, wenn überhaupt, in der Regel nur leicht erkrankten. Eine Besonderheit bei Kindern ist das multisystemische Entzündungssyndrom (MIS), das auf eine Überreaktion des Immunsystems zurückzuführen ist und das Leben der Kinder kurzfristig durch eine Pumpschwäche des Herzmuskels gefährdet.

Kinder wurden anfangs von den Impfungen ausgenommen. Inzwischen sind die Impfstoffe (in Deutschland) ab 12 Jahren zugelassen. Demnächst dürfte auch diese Altersgrenze fallen. Die Bereitschaft der meisten Eltern ist gering, da sie ihre Kinder durch eine etwaige (unbemerkte, weil asymptomatische) Infektion geschützt wähnen. Dies könnte nach den jetzt von einem Team um Surender Khurana von der US-Arzneimittelbehörde FDA in Silver Spring/Maryland vorgestellten Laborergebnissen ein Trugschluss sein.

Die Forscher haben Serumproben von 3 Gruppen von Kindern und Jugendlichen auf ihre Fähigkeit untersucht, den Wildtyp von SARS-CoV-2 und die Varianten Alpha, Beta, Gamma, Delta und Omikron zu neutralisieren. Die Experimente wurden mit Pseudoviren durchgeführt, die die Eigenschaften der einzelnen Varianten haben aber nicht virulent sind.

Die erste Gruppe bestand aus 62 Kindern und Jugendlichen, die wegen einer akuten Erkrankung an COVID-19 im Krankenhaus behandelt wurden. Die 65 Kinder und Jugendlichen der 2. Gruppe waren wegen eines MIS im Krankenhaus gewesen. Die 3. Gruppe von 50 Kindern und Jugendlichen war wegen einer leichten Erkrankung nur ambulant behandelt worden. Die Infektion lag bei ihnen 30 bis 110 Tage zurück.

Wie zu erwarten fiel die neutralisierende Wirkung der Antikörper bei den akut erkrankten Kindern am schwächsten aus. Bei ihnen wurden die Blutproben entnommen, bevor die Abwehrreaktion des Immunsystems ihren Höhepunkt erreicht hatte.

Interessanterweise war die Immunreaktion der jüngsten Kinder mit akuter Erkrankung am schlechtesten. Dies könnte 2 Gründe haben: Zum einen waren die Blutproben bei den unter 5-jährigen Kindern deutlich früher nach dem Einsetzen der Symptome entnommen worden (median nach 3 Tagen statt nach 6 Tagen bei den Jugendlichen). Die Immunreaktion gegen das Virus hatte bei ihnen erst begonnen. Zum anderen könnte das Immunsystem der Jugendlichen durch frühere Infektionen mit anderen Coronaviren bereits auf die Infektion vorbereitet sein, was eine schnellere Reaktion ermöglicht.

Bei den Kindern mit MIS, das typischerweise einige Wochen nach der Infektion auftritt, und den ambulant behandelten Kindern und Jugendlichen war die neutralisierende Antikörperwirkung gegen den Wildtyp am stärksten. Dies dürfte daran gelegen haben, dass sie sich im Untersuchungszeitraum von April 2020 bis März 2021 mit dem Wildtyp oder der Alpha-Variante infiziert hatten. Die Reaktion auf Alpha bis Delta war kaum abgeschwächt. Diese Varianten unterscheiden sich wenig vom Wildtyp.

Die Omikron-Variante wurde dagegen in den Labortests kaum noch neutralisiert, was mit den deutlichen Abweichungen vom Wildtyp an der Rezeptorbindungsstelle zusammenhängen dürfte. Antikörper gegen diese Regionen können eine Infektion am ehesten verhindern. Dass sie bei Omikron ins Leere griffen, zeigte sich in den Labortests.

Khurana warnt die Eltern deshalb davor, sich auf eine frühere Infektion ihrer Kinder zu verlassen. Sie werde ihre Kinder vermutlich nicht vor einer Infektion mit Omikron schützen. Die Forscher haben auch die Seren von 9 Kindern untersucht, die 1 oder 2 Dosen eines mRNA-Impfstoffs erhalten hatten. Auch hier war die neutralisierende Wirkung gegen den Wildtyp am stärksten, gegen den die Impfstoffe ja konzipiert wurden.

Gegen Alpha und Delta war die neutralisierende Wirkung um den Faktor 2,5 und 2,1 abgeschwächt. Gegen Omikron war die neutralisierende Wirkung sogar um den Faktor 25,2 geringer. Der Titer könnte nach Ansicht von Khurana jedoch noch ausreichen, um zumindest eine schwere Erkrankung der Kinder zu verhindern.

rme

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