COVID-19: Nachverfolgung der Kontakte könnte bald an Grenzen stoßen

Stockholm – Die Nachverfolgung der Kontakte von COVID-19-Patienten ist personalintensiv. Das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) geht davon aus, dass die Gesundheitssysteme der einzelnen Länder früher oder später an ihre Grenzen stoßen werden.
Doch auch die Beschränkung auf Personen mit höherem Infektionsrisiko könnte die Ausbreitung von SARS-CoV-2 verlangsamen, heißt es in einem Technical Report.
Mathematiker der Universität Warwick in Coventry schätzen, dass ein an COVID-19 erkrankter Mensch in den vorausgegangenen 14 Tagen im Durchschnitt Kontakt zu 217 Personen hatte.
Die meisten haben weniger als 90 Personen getroffen, doch etwa 3 % könnten, beispielsweise auf öffentlichen Veranstaltungen mehr als 1.000 Personen begegnet sein, schreiben Matt Keeling vom Warwick Mathematics Institute in medRxiv (2020; 10.1101/2020.02.14.20023036). Alle diese Personen zu untersuchen dürfte schon jetzt kaum möglich sein.
Die Nachverfolgung von Kontakten ist sehr zeit- und damit personalintensiv. Es beginnt mit dem Interview des Patienten, wofür die ECDC etwa 2 Stunden veranschlagt. Im nächsten Schritt müssen die persönlichen Daten der Kontakte ermittelt (6 Stunden) und in eine elektronische Datenbank eingegeben (1 Stunde) werden.
Die Klassifikation in enge Kontakte (höheres Infektionsrisiko) und Personen mit einem geringeren Infektionsrisiko erfordert noch einmal zwei Stunden. Für das Interview jeder Kontaktperson benötigen die Mitarbeiter der Gesundheitsbehörden noch einmal 45 Minuten.
Die Kontakte mit höherem Infektionsrisiko müssen über 14 Tage täglich angerufen werden, für Personen mit einem geringeren Infektionsrisiko muss ein Call-Center für die Beantwortung von Fragen vorgehalten werden.
Wenn eine Kontaktperson über Symptome berichtet, muss sich ein Mitarbeiter für einen Test auf den Weg machen. Mit Hin- und Rückweg dürfte dies laut ECDC durchschnittlich etwa 3 Stunden dauern. Wenn größere Gruppen betroffen sind, etwa nach der Rückkehr aus einer Endemieregion, kann eine organisierte Quarantäne erforderlich werden.
Wenn die Zahl der COVID-19-Patienten eine gewisse Grenze erreicht, die für jedes Land unterschiedlich ist, müssen sich die Gesundheitsämter auf die Personen mit dem höchsten Risiko beschränken. Weil diese Personen potenziell die meisten Menschen anstecken, könnte auch diese eingeschränkte Kontaktverfolgung noch effektiv sein, heißt es in den Report.
Ein höheres Infektionsrisiko besteht nach Einschätzung des Robert-Koch-Instituts (RKI) ab einem mindestens 15-minütigem Gesichts-(„Face-to-Face“)Kontakt, etwa bei einem Gespräch.
Medizinisches Personal gilt als gefährdet, wenn es sich im Rahmen von Pflege oder medizinischer Untersuchung einem COVID-19-Patienten ohne verwendete Schutzausrüstung auf weniger als 2 Meter genähert hat.
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